Frau Doktor – Onkel Punk

19.12.2020 von Marcus Pohlmann

Frau Doktor - Onkel Punk

Musiker:

Label: ,

Genre: , ,

Laufzeit: 46 Minuten

Tracklist:
01 - Im Sommer
02 - F.R.A.U.D.O.K.T.O.R.
03 - Hängematte
04 - Zeiten
05 - Viva la Senil
06 - Birks Works
07 - She's the One
08 - Onkel Punk
09 - Wayfaring Stranger
10 - Zuhause süß
11 - Geben und nehmen
12 - Emilie Rose

Erscheinungsdatum: 02.10.2020

Sprache: Deutsch / Englisch

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An mein erstes Konzert von Frau Doktor kann ich mich noch verschwommen erinnern. Die Band drängte sich auf einer viel zu kleinen Bühne bei einer Studentenparty der Wiesbadener Fachhochschule. Es floss viel Alkohol und der Sänger machte einige abfällige Bemerkungen über Studenten. Aber zumindest musikalisch hatte das Konzert einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen, und so folgten zahlreiche weitere Konzertbesuche. 2010 war dann Schluss und die Band hatte ihren letzten Auftritt im Wiesbadener Schlachthof – so dachte man zumindest. Nach mehreren Geburtstags- und Jubiläumskonzerte folgte schließlich 2018 die offizielle Wiedervereinigung und zwei Jahre später mit Onkel Punk sogar ein neues Album. Erschienen ist die Platte, wie bereits das Best-Of Grenzen der Gemütlichkeit beim Hamburger Label Rookie Records.

Was steckt drin?

Das neue Album gibt es wahlweise als CD im Digi-Pack, ganz traditionell als Vinyl und selbstverständlich auch rein digital. Bei der Vorbesteller-Aktion gab es außerdem zusätzliche Goodies, wie beispielsweise ein Geschirrtuch und ein Poster mit dem Cover-Motiv. Die Auslieferung erfolgte dann recht geschmackvoll im Pizzakarton.

Was wird gespielt?

Der erste Track „Im Sommer“ fängt mit lockerem Klaviergeklimper an, kurz darauf setzt jedoch der typische Ska-Beat ein. Schlagzeug, Percussion und Bass bilden die Grundstruktur, Gitarren und Keyboard bringen die Melodie. Schließlich setzen die drei Bläser die Akzente – einschließlich eines Trompetensolos im Mittelteil. Der Text beschreibt alltägliche Situationen, allerdings mit einem für die Band typischen sarkastischen Unterton. Wer sich selbst einen Eindruck von dem Stück verschaffen möchte, findet HIER das passende Video.

Frau Doktor - heiß & fettig!

Frau Doktor – heiß & fettig!

Ein häufig wiederkehrendes Element in den Texten von Frau Doktor ist das fortschreitende Alter. Und auch dieses Album bildet dabei keine Ausnahme. „Viva la Senil“ orientiert sich eher an Rock und Punk – einschließlich des anfangs gedämpften Gesangs. Passend zur härteren musikalischen Gangart ist der Text desillusioniert und beinahe schon bitter. Hier dienen die Bläser, vor allem im Schlussteil, der Auflockerung. Obwohl der Track nicht dem typischen Ska-Schema folgt, zählt er doch zu meinen Favoriten auf dem Silberling.

Cover-Versionen gehören fest ins Repertoire der Band. In diesem Fall handelt es sich um „Birks‘ Works“ – ursprünglich ein Instrumental des US-amerikanischen Jazz-Trompeters Dizzy Gillespie. Deutlich schneller und tanzbarer als das Original zeigen die Musiker, dass sie auch anspruchsvollen Stücken ihren Stempel aufdrücken können. Die Soloparts von Trompete, Saxophon und Orgel stechen dabei besonders hervor – wobei Drums und Percussion für einen wahnwitzigen Rhythmus sorgen. Definitiv eines der Stücke, die auf jede Ska-Party gehören.
Ganz unpunkig kommt der Titeltrack „Onkel Punk“ daher. Bläser und Schlagzeug geben den Ton an. Zwischendurch dürfen Gitarren und Klavier übernehmen – nur um beim Refrain wieder zu weichen. Aber es ist vor allem der Text, in dem ich mich wiederfinde. Eine Nummer, die einfach zum Mitwippen einlädt – mit einem Dosenbier in der Hand und in Erinnerungen schwelgend.

Bei „Geben und nehmen“ wechselt Keyboarderin Martha ans Mikrofon. Die Musik ist locker und entspannt mit eingängiger Melodie – ein bisschen Easy Listening. Dabei hat jedes Instrument seinen kleinen, herausgehobenen Part; eine hübsche Mischung, die funktioniert. Martha zeigt hier, dass sie nicht nur Background singen kann, sondern sich auch gut im Mittelpunkt macht. Für mich ist dies der eingängigste Track auf dem Album – selbst wenn sich die Ska-Anteile in einem überschaubaren Rahmen halten.
„Emilie Rose“, der letzte Track, präsentiert sich als folklastiger Rausschmeißer. Das Akkordeon sorgt für eine rührselige Grundstimmung und die Hintergrundgeräusche für die passende Kneipenatmosphäre. Erst nach gut einer Minute wechselt das Stück von Folk zu Ska und kommt wesentlich schwungvoller aus den Boxen. Nur gegen Ende hin wieder in Melancholie zu versinken – einschließlich einem mehrstimmigen Refrain. Auch hier lohnt es sich auf den Text zu achten. Für mich ein sehr passender Abschluss des Albums.

Gehört die CD in den Player?

Zwischen dem letzten Album und Onkel Punk liegen über zehn Jahre und eine Bandauflösung. Dennoch machen Frau Doktor ziemlich genau da weiter, wo sie seinerzeit aufgehört haben: gepflegter, tanzbarer Ska – angereichert mit Versatzstücken aus Punk, Soul und Jazz. Diese Mischung funktioniert nach wie vor gut. Zudem schaffen es die Musiker immer wieder zu überraschen, beispielsweise durch das maximal entspannte „Hängematte“ oder die Instrumental-Stücke. Die Band ist ein eingespieltes Team, was man heraushört. Der Gesang von Üni ist auch nach 25 Jahren gewöhnungsbedürftig, aber sehr charakteristisch. Hardy und Martha sorgen für Abwechslung am Mikrofon und unterstreichen dadurch die Vielseitigkeit. Was für mich bei praktisch allen Veröffentlichungen der Band herausragt, sind jedoch die Texte. Diese bewegen sich hart am „richtigen Leben“, sind meist ironisch, gelegentlich melancholisch und immer sehr direkt. Häufig finde ich mich selbst darin wieder – was wohl auch mit dem Alter zusammen hängt.

Wer mehr zu Frau Doktor und zur Entstehungsgeschichte des Albums wissen möchte, dem sei der dazugehörige kleine Film empfohlen.

Mehr Informationen zum Album gibt es auf der Homepage des Labels Rookie Records oder direkt bei der Band. Dort findet sich auch der Nachholtermin für das leider ausgefallene Release-Konzert – voraussichtlich der 9. April 2021 im Wiesbadener Schlachthof.

Wirkliche Überraschungen bieten Frau Doktor auf dem neuen Album nicht. Dafür gibt es tanzbaren, deutschen Ska in großer Besetzung.

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