Necronomicon (Commemorative Edition)

30.03.2011 von Marcus Pohlmann

Necronomicon

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ISBN: 978-0575081574

Format: Hardcover

Seiten: 880

Erscheinungsdatum: 27.03.2008

Sprache: Englisch

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Sich einen Überblick über die verschiedenen Auflagen und Ausgaben der Werke von H. P. Lovecraft zu machen, kann selbst den gründlichsten Erforscher des Cthulhu-Mythos an den Rand der Verzweiflung bringen. Umso erfreulicher ist es, dass der Verlag Gollancz nun mit Necronomicon eine Sammlung der bekanntesten Geschichten des Autors im Original veröffentlicht.

Zuerst fällt der fast 900 Seiten starke Hardcover-Band durch seine Aufmachung ins Auge. Der schwarze Ledereinband mit dem in Gold geprägten Schriftzug „Necronomicon“ und einer Abbildung Cthulhus wirkt fast ein wenig einschüchternd. Die Umschlaginnenseiten ziert eine Karte der Stadt Arkham, in der einige der Geschichten spielen. Laut Inhaltsverzeichnis finden sich 34 Geschichten und zwei Gedichte, die wohl sicherlich die bekanntesten Werke Lovecrafts sind. „The Call of Cthulhu“, das Frühwerk „Dagon“ oder „Herbert West – Reanimator“ gehören mittlerweile schon zum Standard der fantastischen Literatur und bringen den charakteristischen Stil des Autors hervorragend zum Ausdruck. Doch nicht nur die klassischen Geschichten werden in dem Sammelband berücksichtigt. Auch eher unbekannte Stories, die selten zu finden sind und wenig oder gar nichts mit dem Cthulhu-Mythos zu tun haben, kommen hier zu ihrem Recht. Hier wird deutlich, dass Lovecraft sich nicht ausschließlich mit tentakelbewehrten außerirdischen Monstrositäten beschäftigt hat. So berichtet in „Cool Air“ der namenlose Protagonist von seinem verschrobenen Nachbarn, der zwar ein begnadeter Arzt ist, doch auf Grund seiner Vorliebe für eisige Kälte und seines labilen Gesundheitszustandes fast völlig die Gesellschaft der Menschen meidet. Als der Erzähler Opfer eines Herzanfalles wird, sucht er Hilfe bei seinem Nachbarn und freundet sich schließlich mit ihm an. Immer mehr von dessen Theorien über die Natur des Todes und Verfalls fasziniert, entwickelt er eine enge Beziehung zu dem Einzelgänger. Geraume Zeit später beginnt nach dem Ausfall einer Kühlanlage ein verzweifelter Wettlauf gegen die Zeit. Während der Erzähler versucht, die Anlage zu reparieren, verfällt der Arzt körperlich und geistig rasch immer mehr. Schließlich flüchtet der angeheuerte Bekannte und überlässt den Arzt seinem Schicksal. Die später eintreffenden Helfer finden in der offensichtlich verlassenen Wohnung schließlich die Gründe für die seltsamen Vorlieben des Arztes heraus.
Neben diesen meist nur wenige Seiten langen Geschichten finden sich auch umfassendere Werke wie „The Case of Charles Dexter Ward“, aber auch „The Whisperer in Darkness“ und „The Shadow over Innsmouth“ in der Anthologie. In der letzteren Geschichte kommt ein junger Mann dem Geheimnis einer degenerierten Kleinstadt sehr nahe, deren Stadtväter Pakte mit unheiligen Mächten eingegangen sind, um den Erhalt der Stadt zu gewährleisten. So sind viele der Bewohner keine wirklichen Menschen, sondern Hybriden der Tiefen Wesen, einer klassischen Schöpfung Lovecrafts. Um ihr Geheimnis zu wahren, machen diese Wesen Jagd auf den Erzähler, doch kann dieser nach einer waghalsigen Flucht entkommen und setzt die Behörden auf die unterseeische Bedrohung an. Hier könnte die Geschichte enden, doch hebt sich der Autor noch eine abgründige Wendung für die Leser auf, die sich schon auf einen glücklichen Ausgang freuen.\r\n
Ergänzt werden die Texte durch stimmige Illustrationen, denen es gelingt, die Atmosphäre der jeweiligen Geschichte einzufangen. Der Band wird durch ein umfangreiches Verzeichnis der Veröffentlichungen und einen fundierten Hintergrundartikel zu Lovecraft und seinem Werk abgerundet.

Die verschiedenen Geschichten lassen sich kaum in eine gemeinsame Schublade stecken, steht hier doch der kosmische Horror direkt neben klassischer Fantasy. Ebenso wenig ist es möglich, eine allgemeine inhaltliche Zusammenfassung zu geben. Ein wiederkehrendes Motiv bei Lovecraft sind verborgene, schreckliche Geheimnisse, finstere Bücher oder uralte, dämonische Wesenheiten, die die Erde lange vor dem Menschen beherrschten und immer noch Einfluss haben. Auch Machtlosigkeit und Verzweiflung schwingen in vielen Geschichten mit, denn zumeist sind die Protagonisten ein Spielball der Geschehnisse und können nur selten aktiv eingreifen.
Den heutigen, abgebrühten Leser werden die Geschichten mit Sicherheit nicht in Angst und Schrecken versetzen, doch haben gerade die Texte, die sich mit den Großen Alten und ihren Anhängern befassen, auch über 70 Jahre nach ihrer Entstehung kaum etwas von ihrer Intensität und Atmosphäre eingebüßt. Grade bei den längeren Werken, „The Shadow over Innsmouth“, „The Whisperer in Darkness“ oder auch „The Dunwich Horror“, in denen der Autor sich die Zeit nimmt, eine bedrückende, ausweglose Stimmung aufzubauen, werden die enormen Fähigkeiten Lovecrafts deutlich. Wesentlich schwerer zugänglich sind dagegen sicherlich die Episoden, die in der fantastischen Welt der Traumlande angesiedelt sind und die auf den Leser etwas sperrig und altbacken wirken.
Bei der Zusammenstellung der Geschichten hat der Verlag auf eine chronologische Anordnung geachtet, so dass sich eine recht klare Entwicklung von Lovecrafts Mythos abzeichnet. Sind in den frühen Geschichten die Hinweise auf die klassischen Elemente seines Schaffens wie das Necronomicon, die Großen Alten oder den Cthulhu-Mythos noch vage und unbestimmt, so werden sie im Laufe der Zeit immer konkreter und greifbarer. So fügt sich für den Leser alles zu einem gewaltigen Gesamtbild zusammen, das eine unbestreitbare Faszination ausübt und auch heute noch Autoren inspiriert, ihren Teil dazu beizutragen.

Die meisten Leser, die sich mit Lovecraft und seinem Werk beschäftigen, dürften wohl einen Großteil der Geschichten in dieser Anthologie schon ihr Eigen nennen. Doch solch eine umfangreiche Zusammenstellung wie in dem vorliegenden Band ist tatsächlich außergewöhnlich. Auch spricht die edle Aufmachung mit schwarzem (Kunst-)Leder und goldener Prägung natürlich den Sammler an. Ein weiteres Argument für den Erwerb dieses Bandes ist natürlich der sehr akzeptable Preis, der einen Kauf schon fast zur Pflicht macht.

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