Luftmaschentage

25.07.2023 von Margarita

Luftmaschentage

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ISBN: 978-340775759

Format: Hardcover

Seiten: 173

Preis: 13,40

Erscheinungsdatum: 19.07.2023

Sprache: Deutsch

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2020 war Anne Becker mit ihrem Jugendroman „Die beste Bahn meines Lebens“ für den deutschen Jugendbuchpreis nominiert – und auch ich war von ihrem einfühlsamen Text über einen Jungen, der Probleme mit dem Lesen hat und sich in einer neuen Umgebung einfügen muss, sehr begeistert. Nun ist Anne Beckers neuer Jugendroman erschienen. „Luftmaschentage“ heißt er und ich durfte ihn vorab lesen.

Tiefseekrake im Bauch

Matea ist schüchtern. Sehr schüchtern sogar. Nicht einmal zu ihrer netten Lehrerin spricht sie, und wenn sie in die Bäckerei geht, dann bestellt sie immer Dasselbe mit dem immer gleichen Satz, den sie vorab lange geübt hat. „Madame Schüchtern“ – so nannte die alte Frau Loose Mateas Schüchternheit. Matea mochte Frau Loose, die ihr das Häkeln beibrachte, sehr. Doch Frau Loose ist gestorben, und seitdem fühlt sich Matea oft einsam. Ihre Madame Schüchtern stellt sich Matea als Tiefseekrake vor, die in ihrem Bauch auf einem supergemütlichen Sofa liegt. Madame Schüchtern trinkt gern Tee und sie sieht gern fern. Nur wenn Matea angesprochen wird, springt die Krake wie von der Tarantel gestochen vom Sofa hoch und wachelt wie wild mit ihren Tentakeln. 

Zu Hause sieht die Sache natürlich anders aus, zu Hause redet Matea ganz schön viel. Das liegt daran, dass sie in einem sehr behüteten Elternhaus aufwächst. Ihre Mutter ist die Pfarrerin des Ortes, sie hat immer ein offenes Ohr für Menschen, die ihre Hilfe brauchen. Auch Mateas Vater ist ein klasser Kerl, der viel Verständnis für seine Tochter aufbringt. Selbst zu Aron, ihrem älteren Bruder, hat Matea ein sehr herzliches Verhältnis. Aron neckt seine Schwester gern, doch er ist auch immer für sie da. Nur Freundinnen hat Matea kaum, und wegen ihrer Schüchternheit wird sie von den Klassenkameraden oft ausgelacht. Da gibt es nur Charlotte – sie ist die Einzige, mit der Matea in der Schule spricht. Aber Charlotte ist jetzt auch mit Fabienne befreundet, und die ist zu Matea so richtig ätzend.
Aber dann tritt die neue Mitschülerin Ricarda in Mateas Leben und verändert alles.

Zwei unterschiedliche Mädchen und eine intensive Freundschaft

Den Einstieg in den Roman bilden ein paar Sprachnachrichten von Matea an Ricarda. „Sprachnachrichten am letzten Tag mit Ricci“ lautet das Kapitel und man erfährt: Matea hat Mist gebaut und möchte sich bei Ricci entschuldigen. Doch wie es aussieht, erwartet Matea auch Antworten. Was genau ist zwischen den Mädchen vorgefallen? Warum meldet sich Ricci nicht mehr?

In 11 Kapiteln, die alle für einen gemeinsam verbrachten Tag stehen, erinnert sich Matea an die Erlebnisse mit Ricci.  Ricarda, so erfahren wir, ist in Mateas Klasse nicht besonders beliebt.  Eines Abends erwischt Ricci  Matea beim „Guerilla-Häkeln“. Gerade eben ist Matea dabei, die Äste eines Baumes am Pfarrhof mit bunter Wolle einzukleiden, als der Küster kommt. Ricci rettet Matea, indem sie ihn ablenkt. Als sie sich im Anschluss an Matea wendet, bleibt die Tiefseekrake erstaunlicherweise ziemlich entspannt  – ja, sie lässt es sogar zu, dass Matea mit Ricci spricht.  So kommt es, dass die beiden Mädchen sich anfreunden. Doch bald wird klar: Irgendetwas stimmt mit Ricci nicht. Nie spricht sie über ihre Familie, und wenn Matea sie zu Hause besuchen möchte, blockt Ricci sofort ab. Außerdem wird sie von einem schielenden Mann verfolgt, der ihr ganz offensichtlich eine Heidenangst einjagt.

Matea fragt zwar nach, aber sie hat auch Angst, Ricci zu sehr zu bedrängen. Also lädt sie Ricci zu sich nach Hause ein, übt mit ihr die unregelmäßigen Verben in Englisch und bringt ihr das Häkeln bei. Bei Mateas Familie findet die völlig überforderte Ricci die Geborgenheit, die ihr zu Hause fehlt. Im Gegenzug hilft Ricci ihrer Freundin, sich gegen Fabienne zu behaupten, indem sie sich für die Freundin wehrt und die Lehrkraft darauf aufmerksam macht, dass Matea seit Jahren gemobbt wird.
Doch dann – nach einer gemeinsamen Guerilla-Häkel-Aktion,  fliegt Riccis Geheimnis auf. Das Mädchen schämt sich daraufhin so sehr, dass sie selbst ihre beste Freundin von sich stößt.

Vielschichtige Charaktere, die sich nicht in Schubladen stecken lassen

Anne Becker erzählt sehr warmherzig und einfühlsam die Geschichte einer besonderen Freundschaft. Vor allem aber vermeidet die Autorin, ihre Charaktere in Schubladen zu stecken. Denn die Ich-Erzählerin Matea hat durchaus viel zu sagen, auch wenn sie gegenüber den meisten Menschen kein Wort rausbringt, und die nach außen hin mutige, draufgängerische Ricci lebt eigentlich in permanenter Angst. Selbst die Nebenfiguren werden nicht einfach nur in „gut“ und „böse“ eingeteilt. Denn wie sonst kann es sein, dass Mateas Freundin Charlotte Fabienne so gerne mag, obwohl diese Matea mobbt?
Besonders schön ist auch die Szene, in der sich die schüchterne Matea in ihren Klassenkameraden Yasser verliebt.

Luftmaschentage ist ein sehr fein gehäkelter Roman mit einer guten Prise Humor und viel Einfühlungsvermögen für seine Figuren, der jugendliche Leserinnen und Leser ahnen lässt, dass in Menschen viel mehr steckt, als wir von außen erkennen können.  Das macht es zwar nicht unbedingt leichter, aber es hilft, manche Dinge nicht persönlich zu nehmen.
Durch die beiden Zeitebenen – die Erinnerung an die gemeinsam verbrachten Tage und die immer verzweifelter werdenden Sprachnachrichten Mateas – wird den ganzen Roman hindurch eine hohe Spannung aufrechterhalten. Denn es bleibt bis fast zum Schluss offen, ob Ricci sich einfach nur nicht meldet, oder ob sie fortgezogen ist – und mehr soll hier auch nicht verraten werden.

Luftmaschentage richtet sich an Jugendliche ab ca. 11 Jahren. 
Eine Leseprobe findet man hier: https://www.beltz.de/fileadmin/beltz/leseproben/978-3-407-75759-3.pdf

 

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