Berge des Wahnsinns

30.10.2016 von Marcus Pohlmann

Berge des Wahnsinns

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ISBN: 978-3865524225

Format: Hardcover

Seiten: 256

Preis: 16,80

Erscheinungsdatum: 15.10.2015

Sprache: Deutsch

Musste Howard Phillips Lovecraft zu Lebzeiten um jede Veröffentlichung kämpfen, so kommen heutzutage regelmäßig Neuauflagen seiner Geschichten in jeder erdenklichen Form auf den Buchmarkt. Der Festa Verlag fügt dieser breiten Auswahl nun eine besondere Edition der Berge des Wahnsinns hinzu. Der 256 Seiten starke Hardcover-Band enthält neben der eigentlichen Geschichte zudem weitere Texte von Will Murray und David A. Oakes sowie einige Illustrationen von Timo Wuerz, der auch für das Cover verantwortlich ist.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive des Wissenschaftlers William Dyer erzählt, der eine Expedition der Universität von Arkham in die Antarktis leitet. Diesen nachträglichen Bericht möchte der Erzähler dabei als Warnung vor den Gefahren verstanden wissen, die künftige Expeditionen in dieser eisigen Wildnis erwarten.
Technisch auf dem neuesten Stand, mit einigen experimentellen Bohrgeräten, Flugzeugen und Hundeschlitten ausgestattet; geleitet von erfahrenen Spezialisten der unterschiedlichsten Fachbereiche machen sich die Forscher im Spätsommer des Jahres 1930 auf den Weg in die Antarktis um sich dort verschiedenen Forschungsprojekten zu widmen. Die Seereise verläuft ohne Zwischenfälle und im November erreichen die beiden Schiffe ihr Zielgebiet. Während die Schiffe vor Ort auf die Rückkehr warten sollen, setzen die Professoren und Studenten mit den Flugzeugen ihren Weg fort.
Die Expedition macht anfänglich gute Fortschritte und schnell stoßen die Bohrungen auf merkwürdige Fossilien, die Professor Lake, den Biologen, faszinieren. Nach längeren Diskussionen kann er Dyer davon überzeugen mit einem Großteil der Ausrüstungen und den Männern eine eigenständige Forschungsreise nach Westen starten zu lassen. Diese Expedition ist schon bald von Erfolg gekrönt und die Männer stoßen auf eine Höhle, angefüllt mit Fossilien und den Leichnamen einiger merkwürdiger Geschöpfe, die sich jeder Klassifizierung entziehen. Durch kontinuierliche Funkberichte aus dem Lake-Lager bleiben Professor Dyer, und damit auch der Leser, immer auf dem neuesten Stand der Entwicklungen. Während seine Männer das Lager sichern macht sich Lake an die Autopsie eines der Wesen und macht dabei einige erstaunliche Entdeckungen, sowohl über das unglaublich hohe Alter als auch die völlig unbekannte Materie aus der die Kreaturen, er gibt ihnen den Namen „Große Alte“, bestehen.
Bevor jedoch weitere Ergebnisse durchgegeben werden können unterbricht ein starker Schneesturm die Funkverbindung zwischen Lake, Dyer und den Expeditionsschiffen. Als sich die Gruppe um Lake auch am nächsten Tag nicht mehr meldet, machen sich die verbliebenen Forscher auf den Weg um nach dem Rechten zu sehen. Als sie schließlich das Lager am Fuß des gewaltigen Bermassivs erreichen, müssen sie feststellen, dass es fast vollständig zerstört wurde und Menschen und Hunde den Tod gefunden haben. Einzig der Student Gedney und ein Hund, sowie die noch intakten Kadaver der Wesen, sind nicht aufzufinden.
Immer wieder erwähnt Dyer dabei in seiner Nacherzählung grausige Details, die darauf schließen lassen, dass nicht nur der Sturm für Tod und Verwüstung verantwortlich war, sondern dass irgend jemand oder etwas die Forscher getötet hat.
Dennoch ganz Männer der Wissenschaft machen sich Danforth und Dyer mit einem Flugzeug auf, die Bergkette zu erkunden und entdecken auf dem Gipfel die Überreste einer riesigen, zerfallenen Stadt, die sie schließlich zu Fuß erforschen. Die beiden dringen immer weiter in die vereisten Ruinen vor und können aus den allgegenwärtigen Fresken und Wandmalereien recht gut die Geschichte der vorsintflutlichen Stadt rekonstruieren. Von den Großen Alten vor Jahrmillionen errichtet lag hier das Zentrum ihrer Zivilisation und der Ausgangspunkt für ihre Besiedlung der Erde. Je tiefer die Forscher in das Häusergewirr vordringen desto mehr erfahren sie über die Geschichte der ehemaligen Bewohner. Die Bilder erzählen von den wissenschaftlichen und künstlerischen Leistungen der Kreaturen, die aus den Fernen des Alls auf die Erde gekommen sind, ihren Kämpfen gegen andere extraterrestrische Rassen, den geologischen Veränderungen auf der Erdoberfläche und schließlich dem langsamen Niedergang ihrer Zivilisation. Hinzu kommt noch eine Bedrohung durch eine Diener-Rasse, die Shoggothen, die irgendwann gegen ihre Herren und Schöpfer rebelliert haben und einen regelrechten Krieg führten.
Auf ihrem Weg in den Abgrund stoßen die beiden Männer immer wieder auf Spuren einer vorangegangenen Expedition, finden die sterblichen Überreste des vermissten Gedney, entdecken eine Kolonie riesiger Albino-Pinguine, weitere verschwundene Gegenstände aus dem Lager und schließlich die verstümmelten Leichen einiger der Wesen die Lake in seinem Bericht beschrieben hat. Dies alles hindert sie jedoch nicht daran ihre Suche fortzusetzen bis sie schließlich einer amorphen Scheußlichkeit gegenüber stehen, die Flucht ergreifen und mit dem Flugzeug die Stadt verlassen.
Will Murray analysiert im Anschluss „Das Problem mit den Shoggothen“, indem er den Einsatz dieser Kreaturen über das ganze Werk Lovecrafts (und darüber hinaus) verfolgt und eine Analyse abliefert, warum die letzte Begegnung der Forscher mit diesem Monster seine volle Wirkung nicht richtig entfalten kann.
Dagegen nimmt sich David A. Oakes in seinem Text „Eine Warnung an die Welt: Der Appell in Die Berge des Wahnsinns“ die gesamte Geschichte vor. Er analysiert ihre Struktur, hebt einige bemerkenswerte Punkte hervor und erklärt dem Leser ausführlich die Techniken und stilistischen Mittel, die Lovecraft eingesetzt hat.

Ich habe die Berge des Wahnsinns bestimmt ein gutes Dutzend Mal in verschiedenen Formen gelesen und gehört. Und immer noch gelingt es der Beschreibung dieser Expedition in die Ruinen einer fremdartigen Zivilisation mich zu faszinieren. Natürlich funktioniert die Geschichte nicht mehr so gut, wie zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung; dafür sorgen schon alleine die technologische Entwicklung, die nahezu vollständige Erforschung der Antarktis und die veränderten Lesegewohnheiten. Dennoch schafft es Lovecraft den unbeteiligten Leser in die Geschehnisse hineinzuziehen und den Verlauf der Expedition sehr anschaulich nachzuerzählen. Der Autor lässt dabei praktisch zwei Geschichten nebeneinander her laufen: Auf der einen Seite stehen die modernen Wissenschaftler, die nüchtern versuchen die Katastrophe aufzuklären die ihre Expedition zerstört hat. Auf der anderen Seite ist es die Historie der Großen Alten, ihre Entwicklung auf der Erde und den Untergang ihrer Zivilisation die sich den Protagonisten langsam erschließt. Beide Geschichten für sich genommen funktionieren dabei einigermaßen gut, aber erst im Zusammenspiel entwickeln sie ihre eigentliche Dynamik und Wirkung auf den Leser. Natürlich ist es merkwürdig, wie viele Informationen Professor Dyer in kürzester Zeit aus den urzeitlichen Wandverzierungen herausziehen kann. Auch andere Kleinigkeiten wirken ein wenig konstruiert, doch hat der Leser diese Tatsachen erst einmal akzeptiert, so zieht ihn die Geschichte schnell in ihren Bann. Der trockene, nüchterne Tonfall des Wissenschaftlers in dem Lovecraft erzählt gibt den Geschehnissen zudem eine gewisse Plausibilität, der viel zum Gesamteindruck beiträgt, auch werden viele Details der Fantasie des Lesers überlassen. A. F. Fischer liefert eine sehr solide, stimmige Übersetzung ab, leistet sich aber einen groben Schnitzer indem er die „Elder Things“ der Originalausgabe mit „Große Alte“ übersetzt, die im Werk Lovecrafts etwas völlig anderes darstellen.
Die beiden zusätzlichen Texte vermitteln einen etwas anderen Blickwinkel auf die Geschichte. Achtet der Leser auf die hier angesprochenen Details, so kann er der Antarktis-Expedition tatsächlich einige neue Facetten abgewinnen. Eine, zumindest für mich, interessante Herangehensweise, die dabei hilft, diese alte und schon oft gelesene Story in einem anderen Licht zu sehen.
Der Setzer hat sich bei der Gestaltung des Buches an die klassischen Layout-Grundsätze gehalten, und so ein sehr gut lesbares Buch abgeliefert – leider mittlerweile keine Selbstverständlichkeit mehr. Auch der Rest des Buches ist ansprechend gestaltet, angefangen beim Schutzumschlag über die Prägung auf dem eigentlichen Cover bis hin zum Kapitalband.
Timo Wuerz steuert für diese besondere Ausgabe 32 Illustrationen und das markante Titelbild bei. Die Zeichnungen decken eine große Bandbreite ab, zeigen manchmal nur winzige, verstörende Details aber auch gewaltige Panoramen der untergegangenen Stadt. Damit gelingt es dem Zeichner sehr gut die Atmosphäre zu verstärken, die Lovecraft mit seinem Text aufbaut. Die Wahl des Covermotivs mag auf den ersten Blick etwas merkwürdig anmuten, doch letztendlich unterstützt auch dieses Bild den Gesamteindruck.

Gut 80 Jahre nach ihrer Erstveröffentlichung haben die Berge des Wahnsinns kaum etwas von ihrer beklemmenden Atmosphäre verloren, selbst wenn manche Passagen dem modernen (und abgebrühten) Leser vielleicht nicht ganz plausibel vorkommen.

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