Wer braucht schon Vorsätze?

02.01.2017 von Joanna Müller-Lenz

Elfen, Trolle & Bassisten – roterdorn Kolumne

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Wenn man viele Vorsätze hat, darf man auch mal einen fallen lassen – sagt ein deutsches Sprichwort. Ziemlich ungewöhnlich für die Deutschen. Blickt man jedoch in die Fitnessstudios, erkennt man schnell, dass darin ein Quäntchen Wahrheit liegen muss. Während in den ersten Wochen der Ansturm groß ist, wird es von Woche zu Woche leerer und auch die Anmeldungen gehen zurück. Das ist mit ein Grund, warum ich persönlich nicht viel von Vorsätzen zu Silvester gehalten habe. Da nimmt man sich etwas für das kommende Jahr vor und schafft es am Ende nicht das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Die Enttäuschung ist groß, das Ziel nicht erreicht und der innere Schweinehund suhlt sich genüsslich in seinem Erfolg – oder unserer Schmach.

Eigentlich finde ich Vorsätze doof

Das heißt aber nicht, dass ich mir nicht gerne Dinge vornehme, nur eben nicht direkt zu Silvester. Dennoch passiert es oft genug, dass meine Vorsätze nur solche bleiben. So saß ich zwischen den Feiertagen zu Hause am Schreibtisch, erledigte endlich mal wieder auf den letzten Drücker meine Steuererklärung und ließ mich immer wieder vom Internet ablenken. Böses Internet! So viele interessante Blogbeiträge und Videos und Postings und Bilder. Und da, eine Katze! Wo war ich? Entschuldigung… Ach ja, die Vorsätze. Ich habe schon vergessen, welche ich in den letzten Jahren gemacht hatte, die dann auch nichts weiter wurden. Vielleicht finde ich sie deshalb doof? Weil sie mehr versprechen als sie halten?

Ja, ich lasse mich gerne ablenken. Es gibt so viel Interessantes da draußen, wie kann man sich nur auf einige wenige Dinge beschränken? Ein Hobby? Ein Lieblingsbuch oder Film? Ein Leibgericht? Wie soll ich mich da nur entscheiden? Und dann will ich auch noch alles aufheben, man könnte es ja später einmal gebrauchen. Wer weiß wozu das nochmal gut sein wird? Nein, irgendwie wollte ich das nicht mehr. Natürlich will ich mich nicht von allem trennen und wie ein Nomade aus dem Rucksack leben können, weil ich sonst nichts besitze. Unsere Bücher, Filme, CDs und Spiele bleiben dort wo sie sind. Aber im Schrank gibt es da noch diese Aktenordner, voll von Papieren und Bescheiden der letzten 20 Jahre. Das geht doch wirklich auch anders. Einige Dokumente muss man tatsächlich aufheben, aber doch nicht alle!

Also habe ich alle Ordner in die Hand genommen und aussortiert. Tatsächlich landete die Hälfte im Müll. Wie befreiend! Und dabei fand ich auch die Beitragsauflistung von der Krankenkasse, die ich für die Steuererklärung gebraucht habe. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Aber warum nicht gleich so?

Ohne Vorsätze geht’s wohl doch nicht, oder?

Da habe ich nur so wenige freie Tage im Jahr und verbringe sie ausgerechnet damit die Steuererklärung zu machen, im völligen Chaos, auf den letzten Drücker und unter so viel Stress, dass mich das vermutlich nicht nur graue Haare kostet. Klar, ich muss etwas ändern. Ausgerechnet jetzt kommt die Erkenntnis, zum Jahreswechsel. Also doch Vorsätze machen? Ach, was soll‘s, warum nicht? Und wenn ich sie schön in die Öffentlichkeit hinaus posaune, wird es mir schwerer fallen dem inneren Schweinehund nachzugeben. Und wer weiß, vielleicht schaffe ich es ja auch mal einige davon umzusetzen und wenn einer unter den Tisch fällt, dann ist es ja nicht so schlimm, gibt ja noch genug andere.

So setzte ich mich hin und fing an zusammen zu tragen, wo ich denke Ordnung gebrauchen zu können. Also überall! Und aus dem Berufsleben weiß ich, wie wichtig es ist Ziele genau zu definieren. Dazu gehört es auch sich einen Zeitrahmen zu setzen. Mit dieser Sichtweise ergeben Vorsätze für das neue Jahr einen Sinn, denn der Zeitrahmen ist automatisch dabei. Also fing ich an und nahm mir vor, realistisch zu bleiben:

Öfter ins Kino gehen

Nicht nur einfach öfter, sondern mindestens zwei Mal im Monat möchte ich ins Kino gehen. Das ist eigentlich machbar, denn ich habe es bestimmt auch im letzten Jahr geschafft. Diesmal möchte ich aber auch darüber schreiben. Mit dem Tonfanatiker philosophiere ich ja sowieso über Sinn und Unsinn des gerade gesehenen, warum nicht das Fazit einfach mal kurz zu Papier bringen und die ganze Welt daran teilhaben lassen? Auf der Liste der „will-ich-unbedingt-sehen“-Filme stehen bereits über 20 Titel, wenn also nichts dazwischen kommt, könnte es gut klappen.

Öfter Sport machen

Seit ich denken kann, habe ich etwas mehr auf den Rippen, als mir lieb ist. Nicht so viel, dass ich mich unwohl fühle, aber genug, um mich nicht wirklich wohl zu fühlen. Und meine Ernährung ist auch nicht die beste und dann kommt noch hinzu, dass ich viel zu wenig am Tag trinke. Also fangen wir klein an, versuchen wir doch einfach mal die zwei Liter Wasser am Tag auch wirklich zu trinken und nicht schon aufzugeben, wenn nur noch wenige Schlucke fehlen. Und 10.000 Schritte am Tag schaffen andere auch, also abends einfach nochmal um den Block gehen. Und die beiden festen Sporttage, die eh schon dick im Kalender stehen, werden tatsächlich eingehalten und ein dritter hinzu genommen, der aber variabel ist, das kann ja nicht so schwierig sein.

Mehr lesen

Mein SuB wird kontinuierlich höher, das kann so nicht weiter gehen. Jeden Abend vor dem Schlafen gehen noch ein paar Seiten sind immer drin, also sollte ich es ja wohl hinbekommen bei meinem normalen Schnitt ein Buch pro Woche zu lesen, oder etwa nicht? Zumindest könnte ich es ausprobieren.

Mehr (für den Dorn) schreiben

Es muss ja nicht immer ein halber Roman sein, manchmal reicht auch einfach ein Kurzkommentar zu einem Album oder Film oder Spiel, die Zeit dafür finde ich immer, besonders jetzt, da mein Rechner nicht mehr 10 Minuten zum Hochfahren braucht, sondern nur noch wenige Sekunden. Das sollte doch machbar sein, oder nicht? Und wenn das machbar ist, dann kann ich ja vielleicht tatsächlich mit dem größeren Schreibprojekt beginnen, das schon seit einer Ewigkeit in meinen Hirnwindungen lauert. Wichtiger ist aber die Kolumne hier zu füllen und mehr Rezensionen zu schreiben!

Papierkram nicht liegen lassen

Das mache ich ja nun wirklich gerne! Und dann wühle ich mich, wenn gerade etwas fehlt, durch Haufen von Papierstapeln, nur um einen Brief zu finden, den ich gerade brauche, eine alte Rechnung, die ich vergessen habe zu überweisen oder was auch immer. Damit ist jetzt Schluss! Ich werde sofort alles abrechnen und abheften oder wegschmeißen, wenn es erledigt ist und basta. Ich habe gar keinen Platz mehr für irgendwelchen Kram, den ich nicht brauche.

Den Schweinehund hinter sich lassen

Das ist natürlich nicht ganz so einfach, wie es sich liest. Aber ich gelobe mir Mühe zu geben, schließlich möchte ich ja auch etwas erreichen. Und das bedeutet nun was? Richtig! Loslegen!

Sonntag ist Sporttag und Neujahr ist Sonntag. Also ging ich an Neujahr zum Fitnesscenter. Ich ging! Das macht 2 Liter Wasser, 10.000 Schritte und eben Sport. Auf dem Ergometer konnte ich auch etwas lesen, der zweite Punkt ist damit auch abgehakt. Sonntags ist es noch recht ruhig, also nur ein paar Mails beantworten, Papierkram fertig. Abends noch ins Kino und diesen Beitrag schreiben, schon sind alle Punkte erledigt. Für einen Tag. Aber ich habe da noch einiges im Petto. Und wenn ich mal einen Vorsatz nicht jeden Tag erfülle, ist es ja nicht so schlimm, schließlich gilt: Wenn man viele Vorsätze hat, darf man auch mal einen fallen lassen, nicht wahr?

2 Gedanken zu “Wer braucht schon Vorsätze?”

  1. Sehr löblich!
    Aber an dieser Stelle möchte ich Helmuth von Moltke zitieren:
    „Kein Kriegsplan überlebt den ersten Zusammenstoß mit dem Feind!“

    Wenn man nun „Kriegsplan“ mit den Vorsätzen und den „Feind“ mit der Realität gleichsetzt passt die Sache leider ziemlich genau…
    Beispielsweise ist ein Punkt auf meiner To-Do-Liste für 2017 schon am 1. Januar um ca. 4 Uhr gescheitert.

    Daher plane ich nicht und nehme das neue Jahr so, wie es eben kommt (wobei das ja eigentlich auch wieder ein Vorsatz ist).

    1. Averan sagt:

      Wenn man seine Ziele erreichen will, ist es oftmals doch sinnvoll zu planen. Und ich habe mir nichts entgültiges als Ziel gesetzt, sondern nur die Quanität angepasst. Ein Stück näher zum Ziel kommen ist letztendlich aber immer noch besser als auf der Stelle zu treten. Selbst wenn ich es also nicht schaffe mein Idealgewicht zu erreichen (was ich aber hoffe), habe ich am Ende etwas abgenommen (was ich ebenfalls hoffe). Gleiches gilt für’s Lesen. Die Regelmäßigkeit wird schon dazu führen, dass am Ende (Teil-)Erfolge sichtbar werden.

      Gescheitert bist du erst am 31.12.2017 um 23:59 Uhr, bis dahin hast du noch reichlich Zeit deine Vorsätze zu erfüllen 😉

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