Gaslicht

07.10.2014 von Marcus Pohlmann

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Erscheinungsdatum: 01.06.2014

Sprache: Deutsch

Die Idee das Cthulhu-Rollenspiel ins viktorianische Zeitalter zu verlagern ist nicht ganz neu. Schon im Jahr 1988 erschien beim US-amerikanischen Verlag Chaosium das Buch Cthulhu by Gaslight, in dem sich die Charaktere im Großbritannien am Ende des 19. Jahrhunderts dem Mythos entgegen stellten. Wie bei vielen Veröffentlichungen von Pegasus Press haben die Autoren auch für den vorliegenden, auf 1.500 Exemplare limitierten, Band Gaslicht auf das Grundgerüst der ursprünglichen Veröffentlichung zurückgegriffen, diese jedoch teils massiv überarbeitet und ergänzt.

Für die Nutzung des 400 Seiten starken Hardcover-Bandes sollte der Leser Zugriff auf das Spielerhandbuch und das Spielleiterhandbuch und damit die Regelgrundlagen für H.P. Lovecrafts Cthulhu haben. Gaslicht passt die vorhandenen Regeln lediglich entsprechend des Hintergrundes und der historischen Besonderheiten an und bietet dem Leser optionale Regeln.

Gleich das erste Kapitel des Buches beschäftigt sich mit den Besonderheiten der Charaktererschaffung und den technischen Gegebenheiten in der Blütezeit des Britischen Empire. Einige der bekannten Berufe fallen weg, andere werden entsprechend modifiziert und wieder andere kommen neu hinzu. So können die Charaktere beispielsweise als Kolonialbeamte auch im entlegensten Winkel der Welt dafür sorgen, dass die Zivilisation Einzug hält, als Bohemien ziel- und mittellos über die Londoner Gehsteige flanieren, in ihrer Rolle als Butler der feinen Gesellschaft dienen oder Scotland Yard als Consulting Detective bei der Ermittlung verzwickter Kriminalfälle unterstützen. Auch finden sich in diesem Kapitel Informationen über Ausrüstung, Kleidung, Fortbewegungs- und Kommunikationsmittel die der Epoche entsprechend angepasst werden.
Das zweite und dritte Kapitel widmen sich dem Empire, sowohl den britischen Inseln als auch den überseeischen Kolonien. Dabei gehört nicht nur eine kurze Beschreibung von Land und Leuten dazu, sondern auch ein Blick auf die Strukturen der britischen Gesellschaft, des Militärs und natürlich der Politik. Ein Einschub beschäftigt sich dabei mit den besonderen Karrieremöglichkeiten, die einem Charakter in den Kolonien offen stehen. Abschließend werfen die Autoren noch einen Blick auf die anderen bedeutenden Nationen und fassen die Meinung der Briten diesen gegenüber zusammen.
Das vierte Kapitel konzentriert sich schließlich auf London, die Hauptstadt des Empire und der heimliche Mittelpunkt der Welt. Neben alltäglichen Informationen über die Stadt, beispielsweise ihre Geschichte und herausragende Orte innerhalb der Stadtgrenzen, findet der Leser hier auch Beschreibungen der Arbeitsweise der Polizei und des extensiven Untergrundes. Speziell für das Rollenspiel gibt es zudem noch Informationen über verschiedene Mythos-Kreaturen, welche die Straßen unsicher machen und auch ein kurzer Ausflug in die Welt von Sherlock Holmes darf hier nicht fehlen.
Die beiden folgenden Kapitel setzen sich mit den Besonderheiten der viktorianischen Gesellschaft und dem kulturellen, geschäftlichen und spirituellen Leben der Hauptstädter auseinander. Ein besonderes Augenmerk richten die Autoren dabei auf die Unterschiede zwischen den verschiedenen Gesellschaftsschichten, auch die zahlreichen Clubs und okkulten Zirkel werden entsprechend vorgestellt.
Während die vorangegangenen Kapitel für alle Leser zugänglich sind, sollte nur der Spielleiter Zugriff auf das achte und neunte Kapitel haben. Dort finden sich Tipps und Hinweise was beim Leiten einer Rollenspielrunde in der viktorianischen Epoche zu beachten ist, sowie einige nützliche Hilfsmittel. Schließlich gehen die Autoren auch noch ausführlich auf den Mythos ein, listen verschiedene relevante Legenden auf, stellen mythische Orte vor und werfen zudem noch einen Blick auf die Magie, die vor allem in den Kolonien noch weit verbreitet ist.
Im zehnten Kapitel findet der Spielleiter drei Abenteuer, mit denen er seinen Spielern direkt einen Eindruck von der cthuloiden Bedrohung geben kann, die im ausgehenden 19. Jahrhundert lauert. „Plant Y Daear“ nimmt seinen Anfang zwar in London führt die Charaktere jedoch schnell in die Hügel von Wales, wo sie versuchen den Mord an einem pensionierten Offizier und die Vorfälle die vor vielen Jahren zum Tod seiner Schwester führten, aufzuklären. Mit rücksichtslosen Vigilanten, chinesischen Kriminellen und einer Verschwörung im Untergrund Londons bekommen es die Charaktere in „Das Geheimnis der Spektralträumer“ zu tun. Hier führen die Ermittlungen durch sämtliche gesellschaftlichen Schichten der Stadt und auch die Schauplätze der Handlung bieten viel Abwechslung, bevor sie der Ursache des Übels auf den Grund gehen können. Um nichts geringeres als um das Erwachen der Großen Alten zu verhindern geht es bei „Zeitenwende“, dem dritten und letzten Abenteuer des Bandes. Hier ist es ein fehlgeleiteter Kult, der versucht sich die Ankunft eines Kometen und dessen kosmische Strahlung zu Nutze zu machen und damit eine neue Weltordnung einzuläuten.
Das elfte Kapitel listet schließlich einige Bücher, Filme und Fernsehserien auf, die in dieser Epoche angesiedelt sind und den Spielern dabei helfen können, sich in die Zeit und das Setting hinein zu versetzen.
Verteilt über den ganzen Band findet der Leser die Beschreibungen und gelegentlich auch Spielwerte von Persönlichkeiten der viktorianischen Epoche, fiktive und reale, wie beispielsweise das chinesische Verbrechergenie Fu Manchu, der Schriftsteller Oscar Wilde oder die Queen höchstselbst. Diese können in eigene Kampagnen eingebaut werden oder einfach dem Spielleiter dazu dienen Szenarien mit bekannten Namen aufzupeppen. Abgerundet wird der Band zudem durch jeweils eine Karte Londons und der britischen Inseln sowie das kleine Zusatzheftchen „Kurioses Britannien“ mit weiteren Informationen.

Gaslicht hat mit der amerikanischen Originalausgabe nur noch entfernt Gemeinsamkeiten. Wie bei den Publikationen von Pegasus Press nicht anders gewohnt wurde der Inhalt teils massiv überarbeitet, ganze Kapitel sowie zwei Abenteuer, neu geschrieben und mit zahlreichen Illustrationen versehen. Die Autoren haben viel Wert auf ausführliche Hintergrundinformationen zum Empire und besonders zu London gelegt, so dass der Band auch für die Spieler anderer Systeme in dieser Epoche nicht uninteressant ist. Das zusammengetragene Material liefert dem Leser fast alles Wissenswerte über das viktorianische Zeitalter, lediglich die Informationen über die Kolonien sind teilweise etwas dürftig geraten, was aber zu verschmerzen ist und leicht mit anderen Bänden, beispielsweise Indien – Der Subkontinent in den 1890ern oder China – Cthulhu im Reich der Mitte ausgeglichen werden kann. Die Abenteuer sind nicht wirklich herausragend, bieten aber doch einen guten Einstieg in dieses Setting. Am Besten hat mir dabei „Das Geheimnis der Spektralträumer“ gefallen, da dieses über eine recht große Bandbreite an Handlungsmöglichkeiten und Herausforderungen für die Spieler verfügt. Die optionalen Regeln liefern recht interessante Ansätze und einige davon dürften auch in meiner 1920er Runde Einzug halten.
Die Aufmachung ist, wieder einmal, sehr gut gelungen, grade die zahlreichen, stimmigen Illustrationen bringen dem Leser die Atmosphäre dieser Zeit sehr gut nahe. Auch die drei Abenteuer werden durch viele Hand-Outs aufgewertet. Einige Probleme habe ich dagegen mit dem Layout der ersten Kapitel, hier erschweren zahlreiche Einschübe und Unterabsätze den Lesefluss deutlich, auch das Fehlen eines Index erleichtert die Orientierung in dem Band nicht unbedingt. Die Bindung des Hardcovers knirscht zwar bedenklich, macht aber zumindest bisher, einen soliden Eindruck. Natürlich zieren den Band auch wieder zwei Lesebändchen und ein geschmackvolles Cover mit ihrer Majestät, Königin Victoria.

Für Rollenspieler, die die Schergen des Cthulhu-Mythos immer schon in den nebelverhangenen Straßenschluchten Londons bekämpfen wollten ist dieser Band eigentlich unverzichtbar und eine lohnende Investition.

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