Degenesis Rebirth Edition

15.10.2014 von Marcus Pohlmann

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Erscheinungsdatum: 01.10.2014

Sprache: Deutsch

Ich persönlich hatte eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet, noch einmal etwas von dem deutschen Endzeitrollenspiel Degenesis zu hören, dass 2004 fulminant gestartet war und vor allem durch seine Optik und seinen detaillierten Hintergrund punkten konnte. Nach einigen, durchaus überzeugenden, Veröffentlichungen wurde es leider nach dem Jahr 2008 sehr still um das System. Daher war ich etwas überrascht, als ich Anfang Oktober einen Schuber mit den zwei Bänden der brandneuen Degenesis Rebirth Edition des Berliner Verlags SIXMOREVODKA in den Händen halten konnte.

Der erste Band Primal Punk enthält auf 352 Seiten vier Kapiteln die dem Leser ausschließlich die Welt und die Bewohner von Degenesis näher bringen sollen.
Die Ausgangssituation des apokalyptischen Settings erläutert das erste Kapitel „Forward“: Im Jahre 2073 wird die Erde von einem massiven Asteroidensturm getroffen, was schließlich zu einer neuen Eiszeit führt in der sich die Polkappen weiter bis hin zum europäischen Festland ausdehnen. Vulkanausbrüche und Erdbeben folgen und ein gewaltiger Riss, der Sichelschlag, tut sich vom ehemaligen Dänemark bis hin zu den Alpen auf und teilt das alte Europa. Die überlebenden Menschen flüchten in Bunkeranlagen oder versuchen sich in den Trümmern ihrer Welt zurechtzufinden und sich mit den Umständen zu arrangieren. Zudem kam mit den Asteroiden noch etwas anderes auf die Erde: der Primer, ein merkwürdiger Stoff der in der Lage ist Mutationen und gar Evolution auszulösen. Dieser Stoff befällt nicht nur Mensch und Tier sondern steuert auch das Wachstum von Pflanzen und Pilzen, die schließlich mit ihren Muttersporenfeldern weite Teile des Landes überziehen und verseuchen. Durch den Kontakt mit den Sporen können noch ungeborene Kinder zu mächtigen Wesen mutieren, beispielsweise zu den Pheromanten, die mit Hilfe ihrer Körperausdünstungen Menschen und Insekten kontrollieren oder den Visionen empfangenden Prägnoktikern.
Das zweite Kapitel widmet sich den verschiedenen Kulturkreisen, also dem, was früher einmal Europa und Nordafrika waren. Die Autoren fassen hier wichtigen Städte und Örtlichkeiten zusammen, geben Einblick in den Tagesablauf und das Verhalten ihrer Bewohner und liefern dem Spielleiter weitergehende Informationen über die Besonderheiten der jeweiligen Regionen.
Das mit großem Abstand umfangreichste Kapitel beschäftigt sich mit den 13 Kulten denen die Charaktere angehören können. Der Leser bekommt hier Informationen über den Hintergrund des Kultes, seine Ziele und ihre Rolle in der Welt von Degenesis. Auch die Hierarchie oder Struktur des jeweiligen Kultes wird kurz besprochen und das Verhältnis zu den anderen Bewohnern der Welt skizziert. Abgerundet wird jeder Eintrag durch drei beispielhafte Persönlichkeiten des Kultes. Eine Vorstellung der verschiedenen Kulte würde den Rahmen dieser Rezension sprengen, beispielhaft seien hier nur die Schrotter genannt, die in den Trümmern der untergegangenen Zivilisation nach verwertbaren Artefakten wühlen und diese meistbietend verkaufen, die Apokalyptiker, die nahezu jegliche moralische Wertvorstellung abgelegt haben und ihrem Vergnügen nachgehen oder die Händler, Forscher und Entdecker der Neolybier, deren Geschäftsgeflecht nahezu die ganze bekannte Welt umspannt.
Das vierte Kapitel schließlich fasst auf einem Zeitstrahl alle wichtigen Ereignisse der Welt zusammen, angefangen mit der Krise der UNO im Jahr 2043 über den Einschlag der Asteroiden 2073 und das Erwachen der ersten Schläfer 100 Jahre später bis hin zu den aktuellen Geschehnissen des Jahres 2595, in dem das Spiel seinen Anfang nimmt.

Ebenso umfangreich ist der zweite Band KatharSys ausgefallen, der sich in erster Linie mit den Regeln beschäftigt, aber auch noch einige Hintergrundinformationen aufweist. Wie in vielen anderen Rollenspielen auch, so verfügt in Degenesis jeder Charakter über eine Reihe von Attributen die eigentlich selbsterklärend sind. Körper, Geschicklichkeit, Charisma, Verstand, Psyche und Instinkt können Werte zwischen 1 und 6 haben, jedem dieser Attribute sind zudem mehrere Fertigkeiten zugeordnet, beispielsweise gehören zum Körper-Attribut Fertigkeiten wie Faustkampf, Ausdauer, oder schiere Kraft, hier reichen die Werte von 0 bis 6. Addiert der Spieler nun die Werte der jeweiligen Attribute und Fertigkeiten, so hat er die Anzahl der sechsseitigen Würfel, die ihm für eine bestimmte Probe zur Verfügung stehen. Der Spielleiter gibt, je nach Komplexität der Probe, die Anzahl der benötigten Erfolge vor, beispielsweise 2 für eine anspruchsvolle oder 8 für eine schier unmögliche Probe. Jeder Würfel mit einer 4, 5 und 6 gilt dabei als Erfolg.
Sind die grundlegenden Regeln erklärt, so können sich die Spieler endlich an die Charaktererschaffung machen, dazu wählen sie eine Kultur und einen Kult aus, die schon im ersten Band ausführlich vorgestellt wurden. Dazu muss noch eines der 21 Konzepte gewählt werden, welche die Motivationen, Ziele und Denkweisen bestimmen, so meidet der Eremit nach Möglichkeit seine Mitmenschen oder der Schüler hat die Anhäufung von Wissen zu seinem Lebensinhalt gemacht. Dem Spieler steht eine gewisse Anzahl an Punkten zur Verfügung, die er auf seine Attribute und Fähigkeiten verteilen kann, eventuell bekommt er zudem besondere Boni durch die Wahl von Kultur und Kult, auch der gewählte Hintergrund bringt weitere Vorteile für den Charakter.
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den Kampfregeln, die im Grundsatz genauso ablaufen, wie die normalen Regeln: Hat der Angreifer nach Einbeziehung sämtlicher Modifikatoren mit seiner Angriffsaktion mehr Erfolge, als der Verteidiger mit seiner Parade, so verursacht er Schaden entsprechend seiner gewählten Waffe. Übersteigt der Schaden die Verfassung des Gegners, so stirbt dieser.
Das achte Kapitel wirft einen Blick auf die Gegenstände, mit denen sich die Charaktere im Laufe ihrer Karriere ausrüsten können. Neben Waffen und Rüstungen findet sich hier allgemeine Ausrüstung des täglichen Bedarfs, Drogen und Gifte aber auch Fortbewegungsmittel und Dienstleistungen. Die Bandbreite reicht hier von primitiven Knochendolchen über Schwarzpulvermusketen und Flammenwerfer bis hin zu gelenkten Drohnen und Servorüstungen. Jeder Gegenstand wird kurz beschrieben die spielrelevanten Angaben entweder im eigentlichen Eintrag oder in einer Tabelle zusammengefasst.
Gesondert wird hier auch der Einfluss der Pilzsporen, das sogenannte Burn, betrachtet. Entweder als Droge konsumiert oder versehentlich in der Nähe der Muttersporenfelder eingeatmet, hat es vielfältige Auswirkungen auf den Konsumenten, steigert seine Sinne, macht ihn schneller oder stärker. Letztendlich breitet sich der Pilz jedoch immer weiter in seinem Wirt aus und ergreift schließlich von ihm Besitz.\r\n<br>Im zehnten Kapitel beschäftigen sich die Autoren mit den Gegnern der Charaktere, und auch hier ist die Auswahl vielfältig. Vorherrschend sind hier die normalen menschlichen Widersacher, aber auch Tiere wie Mammuts oder die wolfsähnlichen Gendos stellen eine Bedrohung dar. Schließlich gibt es noch die Mutationen, die der Primer hervorgebracht hat, unnatürliche Wesen wie Flugegel, Fraktalsterne oder Wüstenmuscheln. Abgeschlossen wird dieses Kapitel mit der ausführlichen Vorstellung einiger außergewöhnlicher Gegner, die vom Spielleiter nur spärlich eingesetzt werden sollten, darunter auch die Pheromanten und Marodeure.
Ein recht kurzes Kapitel bietet dem Spielleiter Tipps und Hilfestellungen zur Leitung einer Degenesis-Runde. Darüber hinaus findet sich auch ein Leitfaden zum Aufbau eines eigenen Szenarios, sowie eine Handvoll Abenteuer-Ideen, die ausgearbeitet werden können.
Den Abschluss des Bandes bildet schließlich das Abenteuer „Embargo“, das mit einer mehr oder minder harmlosen Kneipenauseinandersetzung beginnt und bald zur Suche nach einem scheinbaren endlosen Wechsel- oder Geldvorrat wird.

Vor allem die ungewöhnliche Textstruktur fällt dem Leser auf. Er bekommt hier von den Autoren zumeist keinen durchgängigen Text serviert, sondern lediglich Fragmente vorgesetzt, aus denen er selbst einen Zusammenhang herauslesen muss. Dies ist der Atmosphäre des Spiels durchaus zuträglich und erinnert eher an mündliche Überlieferungen als an einen starren Regeltext. Das Regelsystem ist zwar nicht ganz so innovativ wie der Hintergrund, lässt sich aber ausgesprochen leicht erlernen und unterbricht den Spielfluss nicht. Dabei ist es immer noch flexibel genug damit der Spielleiter den Schwierigkeitsgrad entsprechend anpassen kann und auch unwahrscheinliche Aktionen der Spieler abgedeckt werden können.
Die großzügig verteilten Illustrationen, ganz gleich ob es sich dabei um Landschaften, Gegenstände oder Personen handelt, nutzen eine eingeschränkte, meist düstere Farbpalette und geben dem Leser einen hervorragenden Eindruck davon, wie sich die Autoren die Welt von Degenesis vorstellen. Auch Layout und Textgestaltung weichen von gängigen Standards ab, lassen die Bücher dabei aber nichts von ihrer guten Lesbarkeit einbüßen. Lediglich eine Sammlung der zahlreichen Tabellen am Ende des Buches hätte ich mir noch gewünscht, so muss (zumindest bis zum Erscheinen eines Spielleiterschirms) recht häufig geblättert werden um bestimmte Modifikatoren zu finden.
Der Hintergrund selbst hat auch zehn Jahre nach seiner ursprünglichen Veröffentlichung nichts von seiner Faszination eingebüßt und wartet mit einigen der außergewöhnlichsten Ideen auf, die mir in meiner Laufbahn als Rollenspieler untergekommen sind. Sicherlich ist der Hintergrund sowie seine grafische und textliche Umsetzung nicht nach jedermanns Geschmack, doch Freunde düsterer Endzeitszenarien dürften hier hervorragend unterhalten werden. Wer sich einen ersten Eindruck von der Atmosphäre des Spiels machen möchte oder Zusatzmaterial herunterladen will wird auf www.degenesis.com fündig.

SIXMOREVODKA legen mit der Degenesis Rebirth Edition einen Doppelband vor, der einen innovativen Hintergrund, eine grandiose Optik und eine solide Regelmechanik zu einem rundum empfehlenswerten Rollenspiel kombiniert.

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