The Razorblades

27.05.2016 von Marcus Pohlmann

The Razorblades 01

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Veranstaltungsdatum: 01.01.1970

The Razorblades gelten als eine der besten, wenn nicht sogar die beste, Surfrockband Deutschlands und haben sich auch in den Nachbarländern, vor allem durch ihre ausgedehnten Touren, einen beachtlichen Ruf erspielt. Anfang des Jahrtausends gegründet hat das Trio neben zahlreichen Sampler-Beiträgen mit New Songs for the Weird People nun vor kurzem sein sechstes Album veröffentlicht und dies mit einer großen Party im Wiesbadener Kulturpalast gefeiert.

Der Gitarrist, musikalische Kopf und gelegentliche Sänger Rob Razorblade aka Martin Schmidt hat sich, trotz des ausgedehnten Tourkalenders der Band, die Zeit genommen uns einige Fragen zu beantworten.

Wir möchten mit Ihnen über Surfmusic reden!

Wir möchten mit Ihnen über Surfmusic reden!

Bingen, eine Kleinstadt in Rheinhessen, aus der The Razorblades ursprünglich kommen, ist eigentlich ein ziemlich fruchtbarer Boden für Punk-, Metal- und auch Gothic-Bands. Eine Band die Surfmusik spielt fällt da doch ziemlich aus dem Rahmen. Was war und ist für euch das Spannende, Außergewöhnliche an dieser Musikrichtung und wie kamt ihr um das Jahr 2002 herum darauf Musik zu spielen, die eigentlich seit den 60ern kaum noch jemand hört?
Mir gefällt an Surfmusik zuerst der Gitarrensound – dieser klare Twang-Sound mit viel Hall und Echo. Dann finde ich es interessant Songs nur mit der Gitarre zu tragen, sprich die Melodie und die ganzen Emotionen eines Stückes auf der Gitarre zu spielen anstatt ein Backing für den Sänger und irgendwann ein Solo zwischen den Refrains abzuliefern – das ist musikalisch eine ganz andere Herausforderung. Die Entscheidung für eine bestimmte Art von Musik geschieht bei mir immer aus einem Grund: Sie gefällt mir und ich möchte sie spielen. Was dann der Rest der Stadt macht oder wie viele Leute diese Musik gerade hören, ist mir relativ egal, Musik ist Kunst und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, von daher muss man tun, was man tun muss. Für mich hat Surfmusik oder Instrumentalmusik im Allgemeinen immer etwas Cineastisches, ein Western-/Wüsten-/Krimi-Feeling und das finde ich sehr inspirierend. Außerdem finde ich das hohe Energie-Level super – kurze, schnelle Songs, die auf den Punkt kommen und eine klare Melodie haben.
Zum ersten Mal was Surfmusikartiges gehört habe ich mit 18, als ich mit meiner damaligen Band Marvel’s Rosary im Vorprogramm der Fenton Weills gespielt habe. – in der Bingerbrücker Turnhalle. Die haben so eine Mischung aus Link Wray-Instrumentals, Filmthemen und Sixties Beat gespielt und das hat mich schwer beeindruckt und ich habe angefangen, selbst in dem Stil Songs zu schreiben. Nach ein paar Jahren in anderen Stilistiken bin ich um die Jahrtausendwende durch die US-Band Slacktone zu dem Stil zurückgekommen. Im Guitar Player war eine Review ihrer ersten CD „Warning! Reverb Instrumentals“. Ich dachte das klingt cool, hab die CD bestellt und hab dann die ganzen 3rd Wave Bands entdeckt, The Mermen, Insect Surfers, Fifty Foot Combo und dachte, ich muss auch so eine Band machen. Zu der Zeit habe ich aber schon nicht mehr in Bingen gewohnt.

The Razorblades sind ja in erster Linie Dein Baby. Inwieweit funktioniert innerhalb der Band der Entstehungsprozess eines Albums? Gibst Du die Linie alleine vor oder beteiligen sich Deine Kollegen gleichberechtigt an Songwriting und Produktion?
Ich schreibe die Songs alleine zuhause in meinem Studio, mache eine Vorproduktion mit Bass, Drums und allen Gitarren. Wenn ich genügend Songs zusammen habe, schick ich sie dem Drummer und wir proben sie gemeinsam ein. Auf den letzten zwei Alben habe ich auch Bass gespielt, d.h. wir haben im Studio zuerst die Rhythm-Tracks zusammen aufgenommen und dann hab ich die Gitarren dazu gespielt. Von daher würde ich das mal kreative Diktatur nennen – meine Vorproduktionen klingen schon zu 80% wie das fertige Album. Ralph ändert sicher mal den einen oder anderen Drumpart und da Bass und Drums zusammen eingespielt werden, klingt es lebendiger als meine programmierten Drums, aber ich habe ganz klar das Heft in der Hand und auch die meiste Arbeit…nach dem Aufnehmen mische ich die Platte auch selbst, diesmal mit der Hilfe von Jürgen Lusky (Hofa Studios).

Das neue Album

Das neue Album

Auf New Songs for the Weird People habt ihr wieder einige Stücke mit Gesang untergebracht, was mir eigentlich sehr gut gefallen hat. Ist das etwas, was ihr in Zukunft stärker ausbauen werdet oder stehen weiterhin die Instrumentalstücke im Fokus?
Ich denke die Gewichtung bleibt wie sie ist. The Razorblades sind eine Instrumentalband mit Gesangseinwürfen und das macht live eine Menge Spaß. Eine Platte nur mit Gesangsnummern ist nicht geplant, dafür bin ich dann als Sänger auch nicht variantenreich genug. In Instrumentalsongs kann ich mich wunderbar ausdrücken und werde das auch weiterhin tun.

Das neue Album bietet neben dem klassischen Surfsound einige andere Einflüsse, beispielsweise Punk, Rockabilly oder Pop. Sind das die Sachen die Du auch privat auf den Plattenteller wirfst?
Ich höre ganz unterschiedliche Musik – Surf, Punk, 70s-Rock, Underground-Kram, Jazz, Blues, Folk und irgendwann kommt dann irgendwas in einem Song raus. Ich versuche mir da keine Beschränkungen mehr aufzuerlegen, wenn ein Song schlüssig klingt, ist mir eigentlich ziemlich egal, woher die Inspiration kommt. Ich gehe da durch Phasen, wo ich bestimmte Sachen höre und die beeinflussen dann eben auch das Songwriting.

Wenn Du auf Konzerte gehst, kannst Du dann den Musiker in Dir abschalten und den Sound voll genießen oder konzentrierst Du Dich auf die technischen Details und achtest mehr auf die Fingerfertigkeit der Musiker?
Mit 20 hab ich immer nur auf den Gitarristen geschaut, aber mittlerweile hab ich viel mehr Interesse an der Musik im Ganzen und finde dann auch nicht wichtig, ob es virtuos ist oder nicht. Reine Fingerfertigkeit ist oft auch sehr langweilig, denn bei guter Musik geht es um ganz andere Sachen – Struktur, Drama, Sounds, Gefühle. Von daher schau ich mir am liebsten Bands an, die mich eben in der Hinsicht ergreifen, z.B. in den letzten Jahren Black Rebel Motorcycle Club, Dinosaur Jr., Alexander Hacke, PIL, Gemma Ray.

Nette, symphatische Musiker

Nette, symphatische Musiker

In den letzten Jahren hat die Retro-Welle einige 60er Jahre-Phänomene wieder an die Oberfläche gespült, vom pomadisierten Haar über Petticoats bis hin zum typischen Soulsound dieser Zeit. Hat sich euer Publikum dadurch merklich verändert? Ist die Szene mittlerweile etwas durchlässiger, offener geworden oder stehen immer noch die gleichen Leute wie vor 15 Jahren vor der Bühne?
Unser Publikum würde ich als alternatives Punkrock-Publikum, im weitesten Sinne sehen…da ist alles dabei vom Surf-Fan über Punks, Skins, Rockabillys, Mods bis hin zu Leuten, die sich keiner Subkultur zugehörig fühlen. Die Retrowellen der letzten Jahre sind meistens eher ein Modeding mit einem Riesen-Hype, wo sich plötzlich sehr viele Leute dran hängen, die eigentlich gar nicht so ein Riesen-Interesse an der Musik haben. Ich glaube, vielen Rockabilly-Weekender-Besuchern geht es mehr um das Event als um die Musik. Offener wird es dadurch eher nicht, da dieses Szene-Ding meist sehr eng ist und sich dann an bestimmten optischen oder musikalischen Details festmacht – und wenn man da ausbricht, passt das oft nicht mehr. Ich fühle mich da mehr dem 80er-Underground verbunden, wo es sehr darum ging individuell und anders als der Rest zu sein, das versuche ich heute noch. Andererseits ist mir ein Rockabilly-, Sixties-Soul- oder Punk-Revival zehnmal lieber als Helene Fischer oder unsäglicher deutscher Soulpop oder der Casting-Show-Müll. Großen Einfluss auf unser Publikum hat das aber trotzdem nicht.

Für Bands, die sich abseits des radiotauglichen Mainstream in musikalischen Nischen bewegen ist es recht schwierig alleine von ihrer Arbeit zu leben. Wie sieht das bei euch aus, habt ihr neben The Razorblades auch noch „normale“ Jobs oder wirft die Band genug ab um damit über die Runden zu kommen?
Ich bin Profi-Musiker seit ich 20 bin und lebe heute von einer Mischung aus dem Geld, das ich mit der Band verdiene – durch Gagen, CD-Verkäufe, Gema-Einnahmen – und anderen Tätigkeiten wie Gitarrenunterricht oder dem Schreiben, zurzeit für Gitarre & Bass. Um zu dritt von einer Band wie The Razorblades zu leben, müsste man 200 Shows im Jahr spielen – das ist kaum möglich und würde wahrscheinlich auch nur bedingt Spaß machen. Unser Drummer Ralph Razorblade ist ebenfalls Profimusiker und Schlagzeuglehrer, während sich der aktuelle Bassist Randy Razorblade in der Woche noch als Sozialarbeiter verdingt.

Du machst nun schon ziemlich lange Musik, ich glaub das erste Mal habe ich Dich mit Zig Zag Wanderer um das Jahr 1990 herum auf einer Bühne stehen sehen. Hast Du Dich bewusst für eine Karriere als Musiker entschieden oder hat sich das im Laufe der Zeit einfach so ergeben? Hast Du die Entscheidung schon einmal bereut, keinen normalen Bürojob zu machen?
Ich habe mich mit 20 dafür entschieden und es eigentlich nie bereut. Ein normaler Bürojob interessiert mich nicht, mir liegt eher daran mein Leben mit der Sache zu verbringen, die mir wichtig ist und das ist Musik. Klar hat das freiberufliche Dasein auch Nachteile, aber mit denen kann ich besser leben als mit einer Arbeit, die mir keinen Spaß macht. Ich glaub, es gab auch nie eine wirkliche Alternative für mich zum Künstlerdasein und ich bin auch ganz gut darin.

Ihr fahrt praktisch jedes Wochenende quer durch Deutschland und steht auf irgendeiner Bühne. Gibt es außergewöhnliche Konzerterfahrungen, sowohl positive wie auch negative, die Dir im Gedächtnis geblieben sind?
Mit The Razorblades hab ich schon 600 Konzerte gespielt und vorher waren es bestimmt auch schon ein paar hundert…da fällt es schwer einzelne Ereignisse herauszupicken. Am schönsten sind die Konzerte, bei denen das Publikum von Anfang an dabei ist und wirklich an der Musik interessiert ist – da haben wir jedes Jahr einige davon. Schlimm ist es, wenn das Konzert keinen Sinn macht, sprich es ist kaum Publikum da oder die Leute, die kommen, wollen eigentlich etwas anderes hören. Glücklicherweise halten sich diese Konzerte mittlerweile im Rahmen. Toll sind die Freundschaften, die sich in ganz Europa ergeben haben, die möchte ich nicht missen und davon „handelt“ auch die neue Platte.

Ihr seid ja alle nicht mehr so ganz jung – werdet ihr in fünf oder gar zehn Jahren immer noch in kleinen, obskuren Clubs vor merkwürdigen Leuten Surfmusic spielen?
So alt sind wir aber auch nicht. Die Frage bekomme ich oft gestellt, finde sie aber auch ein bisschen sinnlos. Was soll man als Musiker anderes machen als seine Musik spielen? Darum geht es…Picasso, Miles Davis, Clint Eastwood und die Rolling Stones haben sich ja auch nicht mit Mitte 40 zur Ruhe gesetzt. Ich will das eigentlich so lange machen, wie ich es möchte und es mir Spaß macht und nebenbei verdiene ich damit ja auch meinen Lebensunterhalt. Von daher würde ich sagen frag mich nochmal in zehn Jahren, dann sehen wir weiter.

Du hast eine, zumindest in Szenekreisen, erfolgreiche, bekannte Band, betreibst Dein eigenes Label, gibst Unterricht und hast zwei Bücher zum Thema Musik veröffentlicht. Gibt es etwas, was Du in Deiner Musikerkarriere unbedingt noch erreichen möchtest?
Man wünscht sich immer größeren kommerziellen Erfolg, aber ansonsten bin ich eigentlich ganz zufrieden und würde gerne alles weitermachen – neue Platten aufnehmen, Bücher schreiben, auf Tour gehen und mit der Musik leben….that’s it! Die eine Sache, die ich unbedingt noch erledigen muss, habe ich nicht so – es wird sich schon noch etwas Spannendes ergeben. Ich hab auch Ideen für Platten und Projekte neben den Razorblades und die würde ich gerne in den nächsten Jahren realisieren….ab Sommer fange ich damit an.

Martin, vielen Dank für die doch sehr ausführlichen Antworten. Bleibt mir eigentlich nur noch Dir und Deinen Kollegen weiterhin alles Gute, tolle Platten und viele spaßige Konzerte zu wünschen. Ich bin sehr gespannt, Zukunft von Deiner Band zu hören ist und welche weiteren Projekte Du noch anstößt.

Weitere Informationen zur Band, zu den Veröffentlichungen und zum aktuellen Tourplan finden sich unter www.therazorblades.de.

Die BandRazorblades_LogosComics_symbol_STICKERS
Gegründet wurden The Razorblades 2002 und legten ein Jahr später ihr Debüt Get Cut By The Razorblades vor. Anfangs noch mit vier Musikern schrumpfte die Band im Laufe der Jahre zum Trio und hat dabei einige Besetzungswechsel durchlaufen. Die einzige Konstante ist dabei Rob Razorblade an der Gitarre geblieben, der von Ralph Razorblade am Schlagzeug und Randy Razorblade am Bass unterstützt wird.

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