Nouvelle Vague

11.05.2025 von Marcus Pohlmann

Nouvelle Vague

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Veranstaltungsdatum: 05.05.2025

Veranstaltungsort: Frankfurter Hof »

Bei meiner immerwährenden Suche nach spannenden Cover-Versionen stieß ich vor einigen Jahren, auf Empfehlung eines Bekannten, auf Nouvelle Vague. Das französische Duo (zusammen mit wechselnden Musikern und Sängerinnen) konzentriert sich darauf Klassiker aus den Bereichen Punk, Gothic oder auch New Wave neu zu arrangieren und einzuspielen. Vor allem die Versionen von „Bela Lugosi’s Dead“ und „A Forest“ hatten es mir dabei sehr angetan. In kurzer Folge verleibte ich daher die bisher erschienenen Alben meiner Sammlung ein.

Während sich bei den ersten Veröffentlichungen der Stil der Band auf Bossa Nova oder Easy Listening beschränkte, wurde das Repertoire im Laufe der Jahre vielschichtiger. Mit Should I stay or schould I go legen Nouvelle Vague ihr mittlerweile sechstes reguläres Studioalbum vor; das erste nach dem Tod von Olivier Libaux, einem der beiden musikalischen Köpfe.

Erst wenige Tage zuvor hatte ich erfahren, dass die Band auf ihrer „Should I stay or schould I go“-Tour auch in Mainz Station macht. Da die Zeit für den üblichen Ticket-Versand per Post zu knapp wird, verabschiede ich mich ungewöhnlich früh aus dem Büro und mache mich auf den Weg auf die andere Rheinseite in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt.

Nachdem ich für die wenigen Kilometer eine geschlagene Stunde brauche, sind die Nerven bereits leicht strapaziert, als den Wagen im Parkhaus abstelle. Der Fußweg zur Tourist-Information, die auch den Ticket-Verkauf übernehmen, ist nicht ohne Risiko, muss ich mich doch vor mehreren rücksichtslosen Radfahrern auf der Rhein-Promenade in Sicherheit bringen. Als ich dann endlich die Eintrittskarte in der Hand halte, fällt mir auf, dass der QR-Code nicht lesbar ist – der Drucker vor Ort ist defekt und produziert Fehlstellen. Definitiv nicht mein Tag!

Die Location

Es ist mittlerweile bestimmt schon zehn Jahre her, dass ich das letzte Mal im Frankfurter Hof inmitten der Mainzer Altstadt war. Da noch ein wenig Zeit ist, nutze ich die Gelegenheit und schlendere durch die kleinen Gassen und Hinterhöfe. Seit meinem letzten Besuch hat sich hier viel verändert – häufig nicht zum besseren. Immerhin sind einige Orientierungspunkte erhalten geblieben, so beispielsweise die Currywurst-Bude, an der ich mir ein leckeres (aber erstaunlich teures) Abendessen gönne. So verstreicht die Zeit und ich stehe pünktlich um 19 Uhr vor dem Eingang zur Location.

Nadeah heizt ein

Nadeah heizt ein

Der Besucherandrang hält sich zu diesem Zeitpunkt in einem überschaubaren Rahmen – so bleibt mir Gelegenheit mich zu orientieren. Im Innern hat sich glücklicherweise wenig geändert. Im Saal selbst musste die Bestuhlung weichen, nur an den Rändern gibt es noch eine Handvoll Sitzmöglichkeiten. Während immer mehr Besucher in den Raum kommen, suche ich mir einen gemütlichen Platz an einer der Säulen und warte auf den Konzertbeginn.

Nadeah

Kurz nach 20 Uhr betritt Nadeah mit ihrer Gitarre die Bühne. Die Musikerin und Sängerin hat schon mehrfach für Nouvelle Vague hinter dem Mikrofon gestanden – ist aber mittlerweile hauptsächlich als Solo-Künstlerin unterwegs. Nach einer Ansage auf Deutsch vom Band erzählt die gebürtige Australierin etwas von sich und den neuen Stücken des Sets. Meist dreht es sich dabei um erstaunlich unspektakuläre Alltagsgeschichten über das Leben abseits von Instagramm, Aufwachsen in den 1990ern, Hausarbeit oder Konsumterror. Die musikalische Begleitung aus lockeren, entspannten Gitarrenakkorden – die in Kontrast zu den melancholischen, kritischen Texten stehen.

... und hat sich Verstärkung mitgebracht

… und hat sich Verstärkung mitgebracht

Zwischen den einzelnen Stücken gibt es nette kleine Geschichten aus dem Leben der Künstlerin, zur Entstehungsgeschichte der Lieder oder auch einen Crash-Kurs in australisch. Zwischenzeitlich bekommt die Sängerin Verstärkung an den Saiten durch Art Menuteau, mit dem sie im letzten Jahrtausend in einer Band gespielt hat. Im Anschluss wird der Sound phasenweise durchaus rockig – das Publikum darf sogar die Rolle des Perkussionisten einnehmen.

Mit ihrem gut halbstündigen Set hinterlässt die Musikerin einen sympathischen Eindruck, nicht zuletzt Dank der intensiven Interaktion mit den Zuschauern. Insgesamt eine tolle Einstimmung auf die Hauptband – die dann auch nach kurzer Umbaupause die Bühne betritt.

Nouvelle Vague

Beleuchtung wird überbewertet

Beleuchtung wird überbewertet

Pünktlich um 21 Uhr verlöschen die Lichter im Saal – bis auf zwei blaue Strahler, die die Musiker in Schatten Hüllen. Bei den ersten Tönen von „Love will tear us apart“ befindet sich Sängerin Mélanie Pain noch im Backstage-Bereich und bewegt sich erst im Verlauf des Stückes in Richtung des Bühnenrandes. Aus dem unsagbar beklemmenden Original von Joy Division macht die Band (Gitarre, Keyboard, Bass, Schlagzeug und Percussion) eine lockere, gelöste Nummer, die in einer Cocktail-Lounge nicht fehl am Platz wäre. Zusammen mit dem unüberhörbaren franzözischen Akzent der Sängerin ergibt sich daraus eine interessante Version, die unbestreitbar ihren Anteil am nachhaltigen Erfolg von Nouvelle Vague hat.

Die Band in voller Stärke

Die Band in voller Stärke

Danach machen sich die Musiker an einem von mehreren Depeche Mode-Stücken an diesem Abend zu schaffen. Für „People are People“ kommt eine zweite Sängerin (deren Namen ich leider nicht weiß) auf die Bühne. Musikalisch orientiert sich das Ganze eher an aktuellen Singer/Songwriter-Nummer. Aber es ist vor allem der Kontrast der beiden weiblichen Stimmen, der diesem und auch vielen der folgenden Tracks seinen Reiz verleiht.
Es folgt ein wilder Streifzug durch die 1980er Jahre. New Wave, Synthie Pop, Gothic, Post Punk oder gar NDW werden in unterschiedlichsten Stilen gecovert. So wird aus „This is not a Love Song“ eine perkussionslastige Bossa Nova-Nummer, „Girls on Film“ kommt als locker swingender Jazz daher.

Bei den folgenden „A Forest“ und „Marian“ bleiben die gruftigen Wurzeln allerdings erhalten. Besonders Schlagzeug und vor allem der Bass tragen daran ihren Anteil. Praktisch nur mit Gitarre und ein klein wenig Perkussion kommt „Eisbär“ aus – dafür unterstützt das Publikum die beiden Sängerinnen beim Refrain tatkräftig. Dagegen ist „Should I stay or should I go“, das Album und Tour seinen Namen gibt, kaum zu erkennen. Minimale Instrumentierung, Flamenco-Einflüsse und ein orgelndes Keyboard sorgen für die Untermalung. Erst gegen Ende nimmt das Stück deutlich an Fahrt auf und ein Blick in den Saal zeigt eine einheitliche hüpfende Menge. Schließlich werden wieder Depeche Mode bemüht. „I just can’t get enough“, zweistimmig gesungen endet mit einem überaus beeindruckenden Schlagzeug-Solo. Dabei besteht die einzige Beleuchtung auf der Bühne aus zwei Taschenlampen, die an den Drumsticks befestigt sind.

Auch die Duette funktionieren hervorragend

Auch die Duette funktionieren hervorragend

Nach diesem kleinen Intermezzo folgt mein persönliches Highlight des Abends. Ich bin ein bekennender Bauhaus-Fan, aber diese Version von „She’s in Parties“ kann durchaus mit dem Original mithalten. Die Stimmung ist beklemmend, das Schlagzeug dominiert, während der gestrichene Bass für einige atonale Verwerfungen sorgt. Um das Ganze abzurunden liefert das Keyboard eine erstklassige Bond-Soundtrack-Hommage.
Für das folgende „Guns of Brixton“ kommt Nadeah wieder auf die Bühne und die beiden anderen Sängerinnen beschränken sich auf Background-Vocals und Percussion. Auf Konserve eines meiner Lieblingsstücke und auch live macht es Spaß – nicht zuletzt wegen der gelungenen Pfeifeinlage.

Nadeah zurück auf der Bühne

Nadeah zurück auf der Bühne

Für „Too Drunk to Fuck“ zieht die Band das Tempo deutlich an – stilistisch geht es in Richtung Rockabilly mit großzügiger Surf-Gitarre. Im Innenraum tanzen derweil zahlreiche Ü50er – teils in Abendgarderobe – zu einem Stück, das im Original von Dead Kennedys stammt. Eine sehr interessante Erfahrung. Es folgen noch Klassiker, „Master & Servant“ und „Shout, obskurere Stücke wie „Human Fly“, „This Charming Man“ oder „In a manner of speaking“, bevor die Band kurz vor 23 Uhr die Bühne verlässt.

Es ist zwar schon spät und eigentlich muss ich morgen früh wieder an meinem Arbeitsplatz sitzen, aber einen Abstecher an den Merch-Stand lasse ich mir nicht nehmen. Sowohl das neue Album von Nadeah als auch Should I stay or should I go wandern (natürlich signiert) in meine Tasche. Nach einem kleinen Schwätzchen mit den Musikern mache ich mich schließlich auf den Weg zum Auto und von dort nach Hause.

Wie war’s?

Das gibt Muskelkater

Das gibt Muskelkater

Die Cover-Versionen Nouvelle Vague funktionieren live erstaunlich gut und ich war positiv überrascht. Neben Bossa Nova und Easy Listening hat die Band ihre Bandbreite um Americana, Rockabilly, Psychedelia, Swing, Jazz und einige weitere Versatzstücke erweitert. Dies tut den Liedern ausgesprochen gut und es kommt keinerlei Langeweile auf. Teilweise gelingt es Marc Collin sogar, einzelne Aspekte der Stücke besonders herauszuarbeiten und die Stimmung der Originale zu übertreffen.

Grade bei den Covern aus dem Gothic-Bereich funktioniert das hervorragend – was auch an den beiden Sängerinnen liegen dürfte. Zweifellos hat die Band viel richtig gemacht, denn das Publikum ging praktisch von Anfang bis Ende mit und es war meist Bewegung im Saal. Die Set-List deckte ein weites Spektrum ab – von Stücken an denen man in den 1980er nicht vorbei kam, über Tracks die auch heute nach oft im Radio oder auf einschlägigen Partys gespielt werden, bis hin zu obskurem Zeug, bei denen die Originale nur eingefleischten Fans bekannt sein dürften. Ein oder zwei Sachen hätte ich gerne noch gehört – aber ich will mich nicht beschweren. Zum gelungenen Konzert hat Nadeah (eigentlich Nadéah Miranda) mit ihrer lockeren, direkten Art sicherlich ihren Anteil gehabt, was auch vom Publikum entsprechend honoriert wurde.

Intime Atmosphäre

Intime Atmosphäre

Der Frankfurter Hof hat sich glücklicherweise seit meinem letzten Besuch kaum verändert. Die Atmosphäre ist immer noch entspannt und familiär. Keine übel gelaunte Security, kein überfordertes Personal an der Theke und keine abbruchreifen sanitären Einrichtungen verderben hier den Konzertbesuch. Leider stehen jedoch kaum Veranstaltungen im Programmplan, die mich zum Besuch reizen. Aber das kann ja noch werden…

 

 

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