Amphi 2016

31.07.2016 von Marcus Pohlmann

Amphi 2016

Genre: , ,

Veranstaltungsdatum: 23.07.2016 bis 24.07.2016

Veranstaltungsort: Tanzbrunnen Köln »

Nachdem ich im letzten Jahr mit einem etwas zwiespältigen Eindruck aus Köln vom Amphi nach Hause zurückgekehrt bin, hatte ich eigentlich vorgehabt, dem Festival 2016 fern zu bleiben. Das Ambiente der Lanxess-Arena konnte mich nicht wirklich begeistern und auch das diesjährige Line-Up fand ich nur bedingt spannend. Als die Veranstalter jedoch die Rückkehr zum Tanzbrunnen ankündigten war dies für mich jedoch das beste Argument das Festival doch zu besuchen. Und so entschied ich mich relativ spontan doch ein verlängertes Wochenende in Köln zu verbringen. Kurzfristig konnte ich ein ein recht komfortables Hotel (zu einem akzeptablen Preis) buchen, jedoch waren die Karten für die Warm-Up-Party am Freitag schon lange vergriffen.
Da ich im Büro unabkömmlich bin, mache ich mich erst am Freitag Nachmittag auf den Weg in die Domstadt. Glücklicherweise verläuft die Fahrerei ohne großartige Staus und Baustellen, eigentlich sehr ungewöhnlich für diese Strecke, und auch das Einchecken im Hotel ist schnell erledigt. So bleibt mir noch Zeit für einen kleinen Bummel durch die Stadt, wo ich zwei, drei Anlaufpunkte habe, die eigentlich bei jedem Köln-Besuch auf dem Programm stehen. Unterwegs treffe ich Bekannte aus der Gegend um Freiburg, die ebenfalls für das Amphi in der Stadt sind. Nachdem ich mich, länger als erwartet, fest gequatscht habe, muss ich mich beeilen um noch einige Vorräte für das Wochenende zu besorgen.
Wieder im Hotel angekommen überlege ich noch kurz einen Abstecher zum Tanzbrunnen zu machen und das Gelände in Augenschein zu nehmen. Doch nachdem ich mich meiner Schuhe entledigt habe fehlt einfach die Motivation noch einmal das Zimmer zu verlassen. So bleibe ich im Bett liegen und schaue mir die beängstigenden Berichte aus München an, die nach und nach durch die verschiedenen Nachrichtensender veröffentlicht werden.

Immerhin bin ich am nächsten Morgen einigermaßen erholt und arbeite mich mit Hingabe durch das wirklich exzellente Frühstücksbuffet des Dorint, bevor es gegen 11 Uhr im leichten Nieselregen in Richtung des Festival-Geländes geht.

Bummeln auf dem Markt

Bummeln auf dem Markt

Als ich am Tanzbrunnen ankomme höre ich schon von weitem die Lokalmatadore [x]-RX, die trotz der frühen Stunde ein recht derbes elektronisches Programm fahren. Für diese Art von Musik ist es mir allerdings dann doch noch viel zu früh und ich bummele lieber erst einmal über das Gelände. An den meisten Ständen wird noch gebaut, dekoriert oder die Auslage geordnet, einige Aussteller haben es noch nicht einmal zum Festival geschafft und die Vorhänge bleiben zugezogen. Kleidung, Accessoires, Schuhwerk, Schmuck und natürlich Tonträger kann der solvente Festivalbesucher hier erstehen. Auch Exotischeres gibt es zu sehen; so kann man sich bei Father Sebastiaan auf dem Daywalker Market Vampirzähne einsetzen lassen, am Stand von Tinnef gehäkelte Zombiepüppchen kaufen oder ein paar Meter weiter (ich habe leider den Namen des Ausstellers vergessen) selbst geschweißte Steampunk-Deko für die Wohnung erstehen.
Zwischenzeitlich stehen die Herren von Solitary Experiments auf der Bühne und bringen schon ein wenig mehr Schwung in die immer recht träge schwarze Masse. Gefälliger, eingängiger und tanzbarer Future-Pop vertreibt bei mir die letzte Müdigkeit und langsam komme ich auf Betriebstemperatur.

Das erste Konzert das an diesem Tag auf meiner To-Do-Liste steht findet jedoch auf der Orbit Stage statt, die in den Innereien der MS RheinEnergie untergebracht ist. Das Schiff liegt einige hundert Meter vom Tanzbrunnen entfernt, in Richtung der Hohenzollernbrücke, vor Anker und so mache ich mich schon frühzeitig auf den Weg um mir einen ordentlichen Platz zu sichern. Nach kurzer Wartezeit und einer erneuten Taschenkontrolle geht es dann auch über die Gangway ins angenehm klimatisierte Innere des Schiffes.

Bloodsucking Zombies From Outer Space

Bloodsucking Zombies From Outer Space

Hatten die Veranstalter im letzten Jahr mit der Buchung der Psychobilly-Band The Creepshow aus Toronto das richtige Gespür bewiesen, so war es nur konsequent, das auch 2016 eine Band dieses Genres auf die Bühne musste. Die Wahl fiel dabei auf die Bloodsucking Zombies From Outer Space aus der österreichischen Hauptstadt, die trotz der frühen Stunde (und natürlich der starken Konkurrenz auf den beiden anderen Bühnen), vor recht zahlreich erschienenem Publikum auftreten. Neben der blutig ausgefallenen Deko fallen die recht ungesund aussehenden Musiker ins Auge, vor allem der singende Schlagzeuger Dead Richy Gein ist ein Blickfang. Ansonsten präsentiert sich die Band gut gelaunt und spielt sich durch ihr umfangreiches Repertoire, wobei es mir die beiden Stücke „Vienna Calling“ (ein Falco-Cover) und „Der Kopf deiner Mutter“ vom aktuellen Album Mörder Blues 2 ziemlich angetan haben. Die Leute vor der Bühne tanzen, manche wild und ausgelassen, andere dann doch eher reserviert. Und sogar bei mir auf der Galerie vibriert der Boden ein wenig unter dem rhythmischen Stampfen der Stiefel.
Nach diesem, doch sehr vielversprechenden, Auftakt herrscht am Merch-Stand und auch bei der anschließenden Autogramm-Session reges Gedränge. Die vier gutgelaunten Herren lassen sich, immer noch in ihren Bühnenoutfits, dabei nicht hetzen und jeder bekommt eine Unterschrift, ein Selfie oder kann ein kurzes Schwätzchen mit den Musikern halten.

Die verblieben Zeit bis zur nächsten Band will ich für einen kurzen Abstecher auf das Sonnendeck nutzen um ein wenig frische Luft zu schnappen. Doch schon beim ersten Treppenabsatz bleibt mir die Luft weg; es nieselt immer noch, diesmal etwas stärker, mittlerweile ist die Temperatur jedoch deutlich angestiegen. Dies ergibt eine extrem unangenehme, schweißtreibende Mischung und ich flüchte wieder ins abgedunkelte und klimatisierte Bootsinnere.

Die Umbauarbeiten für Laura Carbone sind schon fast abgeschlossen, daher spare ich mir die Suche nach einer Sitzgelegenheit und nehme wieder meinen Platz auf der Galerie ein. Nicht unbedingt typisch für ein „schwarzes“ Festival spielt die junge Frau aus Mannheim mit ihren drei Mitstreitern durchaus gefälligen Indie-Rock. Die Stücke vom Sirens-Album werden recht gut aufgenommen, allerdings eignet sich die Musik nicht unbedingt zum Feiern. So belassen es die meisten Zuschauer bei wohlwollendem Kopfnicken, lediglich bei „Swans“ und dem grandiosen „Heavy Heavy“ kommt etwas Bewegung in die ersten Reihen. Auch der Rest des Sets gefällt mir recht gut und dies wird sicherlich nicht der letzte Auftritt der jungen Dame gewesen sein, den ich besuche.

Da ich doch etwas lernresistent bin, versuche ich erneut mein Glück oben auf dem Schiff, doch eine wirkliche Verbesserung der Luftqualität hat sich bisher nicht eingestellt. Immerhin regnet es nicht mehr und ich habe die leichte (und wie sich herausstellt, begründete) Hoffnung, dass sich die Wetterlage noch etwas weiter entspannt. Da ich mittlerweile doch ein leichtes Hüngerchen verspüre gebe ich dem schiffseigenen Catering eine Chance und verleibe mir eine Currywurst ein. Nicht unbedingt ein kulinarischer Hochgenuss, aber wahrscheinlich auch nicht viel schlimmer als die anderen Gerichte auf der Speisekarte.

Lebanon Hanover

Lebanon Hanover

Mittlerweile stehen Larissa Iceglass und William Maybelline auf der Bühne und legen letzte Hand an ihre Instrumente. Ich hatte Lebanon Hanover zwar erst vor wenigen Wochen in der Oetinger Villa in Darmstadt gesehen, aber wenn ich schon die Gelegenheit habe, ein zweites Konzert des Duos zu besuchen, nehme ich dies natürlich auch war. Die Musik der Band ist zwar nur bedingt tanzbar, doch das enthält einen sehr enthusiastischen Fan nicht davon ab wild um sich zu schlagen und zu treten. Nach den mehr oder minder freundlichen Ermahnungen der umstehenden Besucher hält er sich zwar zurück, doch die blauen Flecken bleiben. Während Frau Iceglass für die Vocals bei den unterkühlten, emotionslosen Stücke wie „Hall of Ice“ oder natürlich dem grandiosen „Gallowdance“ verantwortlich ist übernimmt Herr Maybelline bei den eher energischeren Stücken das Mikrofon. Wirklich herausragend ist dabei „Totally Tot“, mit dem sich die Band von der Bühne verabschiedet.

Das Wetter ist zwar immer noch alles andere als angenehm, doch für mein nächstes Konzert muss ich notgedrungen zurück an die Hauptbühne. Vorbei geht es an der Besucherschlange, die auf Einlass in das Theater hofft, wieder durch eine Taschenkontrolle und zu einem kurzen Zwischenstopp an einem der beiden Trinkbrunnen um die Flasche wieder aufzufüllen.

Tarja

Tarja

Das Gedränge vor der Bühne hält sich noch in einem überschaubaren Rahmen als ich an der Main Stage ankomme und mir recht weit vorne einen Platz sichere. Auch Tarja habe ich vor gar nicht allzu langer Zeit schon live gesehen; allerdings war der Rahmen doch ein völlig anderer: auf der vorweihnachtlichen „Ave Maria“-Tour in einer kleinen, bestuhlten Location, begleitet von Klavier, Violine und Cello hat Frau Turunen gezeigt, dass sie eine grandiose Sängerin ist. Hier in Köln liegt der Fokus auf der rockigen Seite ihres Schaffens, besonders auf dem kommenden Album The Shadow Self. Nach den doch eher ruhigen Klängen der vorangegangenen Band liefern die fünf Musiker der finnischen Sopranistin doch ein recht heftiges Brett ab. Sehr gut gefallen mir von den neuen Sachen „Demons in You“ und das Muse-Cover „Supremacy“, der Rest ist nicht schlecht, aber auch nicht herausragend. Ansonsten liefert Tarja eine solide Metal-Show, tobt über die Bühne, bangt was die Nackenmuskulatur hergibt und strahlt das Publikum an. Dabei stört mich dann auch beinahe gar nicht mehr, dass die zweite Stimme vom Band kommt und Gitarre sowie Schlagzeug die anderen Instrumente fast vollständig übertönen.

Die Menge verteilt sich nach dem Auftritt überraschend schnell auf die umliegenden Merchandise- und Catering-Stände, während ich noch einige Minuten stehenbleibe um meinen Ohren eine kleine Verschnaufpause zu gönnen. Die Stimme der Dame ist schon recht heftig und hinterlässt bei mir ein leichtes Pfeifen – trotzdem toll und ich werde sicherlich versuchen für die Tour im Oktober ein Ticket zu bekommen. Mittlerweile muss ich mich schon fast beeilen um wieder auf das Schiff zu kommen, da dort das nächste Konzert bald anfängt, das ich auf keinen Fall verpassen will.

Auf den Auftritt von Der Fluch hatte ich mich schon im letzten Jahr riesig gefreut, doch leider musste seinerzeit das Konzert auf Grund der katastrophalen Wetterlage abgesagt werden. Doch die Veranstalter haben Wort gehalten und die Band in diesem Jahr (ebenso wie auch Neuroticfish) wieder auf das Festival geholt um den entfallenen Termin nachzuholen.

Der Fluch

Der Fluch

Wenig überraschend beginnt das Set mit „Ich bin der Fluch“, dem eine ganze Reihe von Klassikern aus beinahe 30 Jahren Bandgeschichte folgen. Jedes Stück wird von Deutscher W mehr oder minder ausführlich anmoderiert, der sich auch teils bissige Kommentare nicht verkneifen kann. Sehr schön beispielsweise: „Draußen spielt Peter Heppner schöne Musik für schöne Menschen. Was wollt ihr also hier drin?“. Ansonsten liefert die Band ein recht vielseitiges Set, wobei „Herr der Fliegen“, „Gottes Schwert“ und „Der Rabe“ nicht fehlen dürfen. Der Sänger kraxelt dabei die Boxentürme hinauf, hangelt sich an der Galerie entlang und landet, eher unsanft, wieder auf der Bühne – nur um im nächsten Augenblick durch den Zuschauerraum zu streifen. Das Publikum dankt es der Band, singt lauthals die Texte mit und feiert ordentlich. Nach gut 50 Minuten verlassen Der Fluch die Bühne, nur um kurz darauf für das unvermeidliche „Halb Mensch Halb Tier“ zurückzukehren und damit das Konzert standesgemäß zu beschließen.

Die Wahl auf die letzte Band des Tages fällt mir nicht leicht. In der Orbit Stage werden gleich die Goth-Rocker von Nosferatu die Bühne betreten; durchaus reizvoll, aber ich würde gerne den Abend mit ein wenig mehr „Wumms!“ beenden. Nach den bisherigen, eher rockig-gitarrenlastigen Bands wäre ein wenig elektronische Musik eine gelungene Abwechslung. Also ist das Theater der logische Anlaufpunkt, wo mit Front Line Assembly ein Klassiker des Genres auf der Bühne steht, den ich zudem noch nie live gesehen habe. Offensichtlich bin ich jedoch nicht alleine mit meinen Überlegungen, zieht sich die Besucherschlange beinahe unüberschaubar in die Länge. Nach nur wenigen Minuten Wartezeit gebe ich entnervt auf und gehe in Richtung der Hauptbühne, die grade für den Auftritt von Blutengel vorbereitet wird.

Blutengel

Blutengel

Das erfolgreichste Projekt von Chris Pohl ist mir eigentlich viel zu poppig und pathetisch, aber ich habe keine Lust nochmal auf dem Schiff oder beim Theater mein Glück zu versuchen. Der Platz vor der Hauptbühne, und weit darüber hinaus, ist mittlerweile brechend voll und ich bin dankbar, dass es ein wenig aufgefrischt hat als das Set mit einem sehr markanten Drum-Part eingeleitet wird. Gitarre, Schlagwerk und Keyboard begleiten die beiden Vokalisten Ulrike Goldmann und Chris Pohl, hinzu kommen noch drei Damen (anfangs) im Nonnen-Habit. Während die Musik, einschließlich „Sing“ und „Reich mir die Hand“, fast alle meine Vorurteile über die Band aufs Neue bestätigt, kann die Live-Show doch recht passabel unterhalten. Nach einer Handvoll Stücke wird es mir aber schließlich doch zu eng und ich bahne mir meinen Weg an die Strandbar um dort ein wenig die Füße hochzulegen.

Mit einem kühlen Getränk in der Hand, der Musik angenehm gedämpft im Hintergrund, einem bequemen Liegestuhl und mittlerweile tatsächlich angenehmen Temperaturen lässt es sich tatsächlich hier Aushalten – deutlich gemütlicher und entspannter als im letzten Jahr. Und der Blick auf das andere Rheinufer mit Dom und Sommerfest ist ebenfalls großartig!

Nach dem Konzert stellt sich mir die Frage, welche der beiden Aftershow-Parties einen Besuch lohnen. Auf dem Schiff zusammen mit Honey (der von Welle: Erdball) auf die andere Rheinseite fahren, ein Musikstück zusammenschrauben und anschließend noch ein bisschen feiern? Oder doch lieber im Theater die halbe Nacht verbringen um sich von verschiedenen DJs die Gehörgänge durchpusten zu lassen? Nach einem abschließenden Bummel über das Festivalgelände entscheide ich mich für Variante C und mache mich auf den Weg zum Hotel. Nach einem kleinen Umweg über eine nahegelegene Tankstelle, wo erstaunlich viele schwarz gekleidete Gestalten die Alkoholvorräte plündern, schleppe ich mich auf mein Zimmer, entledige mich meiner Stiefel und lasse mich aufs Bett fallen. So langsam macht sich das Alter doch bemerkbar und ich döse noch vor dem Wort zum Sonntag weg.

Dies hat dann allerdings den Vorteil, dass ich mich am Sonntag frisch und ausgeruht auf den Weg in den Frühstücksraum mache. Von meinem Platz aus kann ich recht gut die misstrauischen Blicke der „normalen“ Gäste beobachten, die sie den tätowierten, gepiercten und ausnahmslos in schwarz gekleideten Gestalten zuwerfen, die nach und nach in den Saal schlurfen. Der kleine Junge am Nebentisch kann beispielsweise seinen Blick nicht von der Dame in eleganter Korsage abwenden, die sich am Obstkorb gefährlich weit nach vorne beugt. Und auch die ausweichende Antwort des Vaters auf die Frage warum denn hier die Leute so merkwürdig rumlaufen scheint ihm auch nicht wirklich auszureichen. Nach einem ziemlich leckeren (und sehr unterhaltsamen) Frühstück geht es noch für ein letztes Kräftesammeln aufs Zimmer und dann auch kurz darauf weiter in Richtung Tanzbrunnen.

Wie zu erwarten ist die Anzahl der Zuschauer bei Beyond Obsession und TÜSN am Sonntag morgen sehr überschaubar. Dies hält die Bands jedoch nicht davon ab, ordentlich Stimmung zu machen und die wenigen Unverdrossenen vor der Bühne zum Tanzen zu animieren. Ich bin noch nicht so ganz auf Betriebstemperatur und drehe erst eine gemächliche Runde über das Gelände, wobei ich mir diesmal sehr viel Zeit nehme und die Stände inspizieren. War am Vortag die Sonne praktisch nicht zu sehen gewesen, so knallt sie heute schon früh vom Himmel und ich bemitleide die Leute ein wenig, die sich in schwarzer Latex-Montur, Lack und Leder vor die Tür getraut haben.

War am Vortag das Programm im Theater doch eher elektronisch geprägt, ist die Auswahl heute deutlich differenzierter. Da ausnahmsweise keine Schlange vor dem Eingang steht nuze ich die Gelegenheit um beim schon laufenden Gig von Mantus vorbei zu schauen. Der Saal ist sehr voll, sehr dunkel und ich brauche erst ein paar Minuten um mich zu orientieren. Leider ist das Konzert dann auch schon fast vorbei bis ich mich zu einem vernünftigen Platz vorgearbeitet habe. Der Saal leert sich nur schleppend und ich überlege, ob ich nicht einfach hier drin bleiben soll, folgen doch noch ein oder zwei interessante Konzerte im Theater.

Letzten Endes gehe ich wieder hinaus auf das Festivalgelände um mir an den Ständen einige CDs sowie eine dringend benötigte Kopfbedeckung zu holen, da die Sonne mittlerweile schmerzhaft aufs lichte Haupthaar brennt. Die Musik ist nicht wirklich meins, dennoch schaue ich anschließend bei Unzucht vorbei, um mir zumindest einen kurzen Überblick über die Live-Qualitäten des Quartetts zu machen. Den zahlreichen Besuchern vor der Bühne gefällt es offensichtlich und die Band liefert ein rockiges Set ab, dass auch die letzte Müdigkeit vertreibt.

Nach einer kurzen Pause (und einem lecker Getränk) an der Strandbar geht es zum nächsten Konzert in Richtung Theater. Diesmal ist der Wechsel zur Theater Stage nicht ganz so unproblematisch und ich stehe fast eine halbe Stunde, ohne ein Fitzelchen Schatten, in der prallen Mittagssonne. Die einzigen Fortschritte in der Schlange ergeben sich, wenn Besucher vor mir entnervt aufgeben und wieder auf das reguläre Festivalgelände zurückkehren. Irgendwann schaffe ich es dann doch ins Theater; die sengende Sonne wird im Foyer durch abgestandene, verbrauchte und sehr, sehr warme Luft abgelöst – keine wirkliche Verbesserung; immerhin ist es hier einigermaßen schattig. In der Halle selbst ist die Luft schließlich deutlich angenehmer, verfügt die Location doch über eine funktionierende Klimaanlage. Trotz Umbaupause ist es recht finster und auf meinem Weg zur Bühne stolpere ich mehrmals über Konzertbesucher, die sich einfach auf dem Boden niedergelassen haben.

Ost+Front

Ost+Front

Irgendwann dröhnt dann auch das Intro durch die Boxen und Ost+Front marschieren auf die Bühne. Häufig als Rammstein-Kopie belächelt liefert die Band doch eine sehr energetische, mitreißende Show ab und das Publikum dankt es ihnen indem es lauthals das „Denkelied“ mitsingt, bei „Fleisch“ das (soweit vorhandene) Haupthaar schüttelt oder zu „911“ wild vor der Bühne pogt. Für mich sicherlich eines der besten Konzerte auf diesem Festival, auch wenn die Texte häufig weit über die Grenzen des guten Geschmacks hinaus gehen und selbst mir stellenweise zu derbe sind.

Die Entscheidung über die nächste Band fällt mir nicht wirklich leicht. Die Gelegenheit The Devil & the Universe zu sehen bietet sich mir ausgesprochen selten, auch Coppelius machen sich ziemlich rar. Letzten Endes fällt die Wahl aber auf die schwedischen Elektroniker von Covenant.

Covenant

Covenant

Zum einen ist das Konzert in Frankfurt, auf das ich ursprünglich wollte, schon lange ausverkauft, zum anderen habe ich die Band, obwohl ich seit dem Debüt Dreams of a Cryotank alle CDs habe, noch nie live gesehen und schließlich will ich wieder draußen ein bisschen durchatmen. Das mit dem Durchatmen funktioniert nur bedingt: die Sonne brennt, vor der Bühne ist es richtig voll und Schatten gibt es praktisch keinen. Das hält Sänger Eskil Simonsson jedoch nicht davon ab, dem Publikum ordentlich einzuheizen, Unterstützung bekommt er dabei von seinen beiden Mitmusikern Joakim Montelius und Daniel Jonasson, die gelegentlich auch das Mikrofon übernehmen. Vor allem Stücke vom neuen Album The Blinding Dark stehen im Fokus des Auftrittes, aber auch Klassiker wie „Figurehead“, „Ritual Noise“ oder das fantastische „Dead Stars“ zum Abschluss werden vom Publikum gefeiert.

Nach diesem, schon ziemlich tollen, Auftritt bin ich völlig durchgeschwitzt, habe einen Sonnenbrand und kann meine Füße kaum noch heben. Auf der Suche nach etwas Erholung schleppe ich mich mühsam erneut zur Strandbar, die mit den wenigen, einigermaßen bequemen, Sitzgelegenheiten auf dem Festival aufwarten kann. Schatten gibt es zwar auch hier keinen mehr, doch es hilft schon, die Beine ein paar Minuten hochzulegen und kurz durchzuschnaufen, bevor es zurück auf die MS RheinEnergie geht. Nach dem üblichen Prozedere (Schlange, Taschenkontrolle, Flaschenentleerung) schaffe ich es grade rechtzeitig auf die Galerie bevor Thomas Elbern mit seinen beiden Kollegen die Bühne betritt.

Vor vielen, vielen Jahren hatte ich Escape with Romeo schon einmal live (damals im Mainzer KUZ) gesehen und mir gefiel die Kombination aus Gitarre und Elektronik seinerzeit recht gut. Die alten Stücke wie „Somebody“ und „Serious“ funktionieren für mich dann auch nach über 20 Jahren noch. Mit dem neueren Material kann ich dagegen nicht so viel anfangen, was aber dem schönen, entspannten Gesamteindruck des Konzertes keinen Abbruch tut.

Exzessives Shoppen

Exzessives Shoppen

Eigentlich hatte ich vorgehabt noch eine weitere Nacht in Köln zu verbringen und dann am Montag ganz entspannt den Heimweg anzutreten. Doch durch eine Verkettung unglücklicher Umstände wurde mein Urlaub kurzfristig gestrichen, so dass meine Zeitplanung ein wenig überarbeitet werden musste. Gerne hätte ich mir noch den Auftritt von Spiritual Front oder wahlweise auch den der Editors angeschaut, doch steht mir ein relativ langer Marsch zum Parkplatz und eine noch viel längere Heimfahrt bevor. Am Auto angekommen kann ich mich jedoch erst einmal über einen Strafzettel für Falschparken (unberechtigt) und nach einigen hundert Metern über den Blitzer, der meine Geschwindigkeitsübertretung (diesmal berechtigt) dokumentiert, ärgern. Dessen ungeachtet verläuft die Heimfahrt angenehm unkompliziert, lediglich einen kurzen Zwischenstopp muss ich einlegen, da ich unbedingt eine Pause brauche. Nach einer kleinen Stärkung geht es schließlich auf die letzte Etappe der Heimreise und ich komme, ziemlich kaputt, zu Hause an. Immerhin bleiben mir noch fast fünf Stunden bevor der Wecker klingelt und ich mich wieder auf den Weg ins Büro machen muss.

Im Vergleich zur Lanxess Arena ist der Tanzbrunnen sicherlich die bessere Location. Hier, direkt am Rhein, ist das Ambiente deutlich angenehmer als bei der mehr oder minder seelenlose Deutzer Mehrzweckhalle. Dazu kommen viele nette Kleinigkeiten wie die Strandbar mit ihren Liegestühlen, Cocktails und dem fantastischen Ausblick auf das gegenüberliegende Ufer. Auch die Orbit Stage auf der MS RheinEnergie unterzubringen hat, zumindest für mich, sehr gut funktioniert; der perfekte Ort, um mal ein bisschen abzuschalten und einfach nur die Musik in etwas ruhigerer Atmosphäre zu genießen. Was mir dagegen nur bedingt gefallen hat war die Theater Stage. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, wurde die Halle am Samstag mehrmals so heiß und stickig, dass nur eine beschränkte Anzahl Besucher hinein durften. Die endlose Warterei in der Schlange war ebenfalls nicht schön und auch die Taschenkontrollen waren irgendwann nur noch nervig. Für das nächste Jahr besteht hier sicherlich noch Verbesserungspotential.

Ansonsten haben die Veranstalter ziemlich viel richtig gemacht: Bei der Bandauswahl, den unterschiedlichsten Ausstellern und dem vielfältigen Cateringangebot war eigentlich für jeden etwas dabei. Sicherlich waren die Preise schon grenzwertig, aber zumindest bei den Getränken wurde dies etwas durch die Trinkbrunnen und den Wasserstand abgemildert. Davon abgesehen haben die beiden Kioske am Kennedy-Ufer an diesen beiden Tagen wahrscheinlich das Geschäft des Jahres gemacht.

Technisch gab es an den Auftritten eigentlich nichts auszusetzen – hier waren vielleicht die Vocals zu leise oder dort eine Gitarre zu heftig, aber nichts Gravierendes und die Jungs hinter den Mischpulten haben die Probleme meist rasch wieder im Griff gehabt. Was mich jedoch etwas störte war, dass viele Bands einfach nur ihr Programm herunter gespult haben. Anmoderationen oder sogar ein Dialog mit dem Publikum waren, zumindest bei den Auftritten, die ich gesehen habe, Mangelware, natürlich gab es löbliche Ausnahmen. Auch den häufigen Zugriff auf Gesangs- oder Musikpassagen aus der Konserve fand ich etwas schwach. Gehört dies bei Musikern aus dem elektronischen Bereich vielleicht zum guten Ton, so hätte ich mir grade bei Acts wie Tarja gewünscht, dass sie ihre Stücke entsprechend arrangieren um sie den Gegebenheiten anzupassen.

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