Soylent Green

18.12.2013 von Marcus Pohlmann

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ISBN: 978-3939212362

Format: Softcover

Seiten: 320

Preis: 13,95

Erscheinungsdatum: 01.10.2013

Sprache: Deutsch

Viele Leser denken bei dem Namen Soylent Green vor allem an den Film aus dem Jahr 1973 mit Charlton Heston und Edward G. Robinson in den Hauptrollen. Das dieser Film jedoch weite Teile seines Hintergrundes aus dem Roman Make Room! Make Room! von Harry Harrison zieht, ist dagegen deutlich weniger bekannt. Fast 50 Jahre nach der Erstveröffentlichung dieses SciFi-Klassikers hat sich der Mantikore Verlag daran gemacht eine neue Übersetzung anzufertigen und das vergriffene Buch unter dem bekannteren Namen Soylent Green wieder auf den deutschen Markt zu bringen.

Im Jahr 1999 (und nicht, wie im Film, 2022) sind die Rohstoffressourcen des Planeten fast völlig ausgebeutet, das Bevölkerungswachstum ist völlig außer Kontrolle geraten und der Klimawandel sowie verschiedene Naturkatastrophen machen den Menschen das Leben schwer. New York, Schauplatz des Romans, ist zu einem gewaltigen Moloch mit über 35 Millionen Einwohnern angewachsen, die Verbrechensrate ist deutlich gestiegen, die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Energie ist bestenfalls dürftig und die Wohnungsnot zwingt viele Menschen in Autowracks oder Industrieruinen zu hausen. Die Senioren protestieren regelmäßig gegen die menschenunwürdigen Zustände, die Ordnungskräfte sind unterbesetzt und mit der Situation heillos überfordert und richtiges Fleisch gibt es nur noch zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt.
In dieser Situation trifft der Leser auf den Polizisten Andy Rusch den eigentlichen Protagonisten des Romans. Dieser schiebt Doppelschichten, teilt sich mit dem Pensionär Sol ein Zimmer in einem heruntergekommenen Mietshaus und ist ziemlich desillusioniert. Bei dem Versuch die Plünderung eines Lebensmittelladens zu verhindern hat er eine flüchtige Begegnung mit der zweiten Hauptperson, dem Botenjungen und Gelegenheitskriminellen Billy Chung. Dieser ist als Kleinkind mit seinen Eltern aus Taiwan in die USA gekommen und nun mit seiner Familie und zahllosen anderen Flüchtlingen auf einem der verrottenden Schiffe im Fluss untergebracht. Als er ein Telegramm zur Wohnung des wohlhabenden Michael O’Brian bringen soll, trifft er diesen und seine Freundin, Shirl Greene, dort an und ist beeindruckt vom Reichtum des Paares und den unzulänglichen Sicherheitsvorkehrungen des Hauses. Später bricht Billy in das Appartement ein, wird dort aber von Michael überrascht und tötet diesen in einem Handgemenge. Unter normalen Umständen wäre dieser Mord kaum eine Erwähnung in den Polizeiakten wert und die Ermittlungen würden schnell eingestellt, doch „Big Mike“, wie das Opfer in manchen Kreisen genannt wurde, hatte einflussreiche Freunde bei den städtischen Würdenträgern als auch im Gangstermilieu. So muss Detective Rusch neben seiner regulären Arbeit weiter an dem Fall arbeiten, lernt dabei die Mätresse des Opfers kennen und beginnt eine Beziehung mit ihr. Schließlich zieht Shirl zu ihm und Sol in das gemeinsame Zimmer. Billy flüchtet derweil vor den Polizisten vom Schiff und taucht in den Häuserschluchten und Industriebrachen New Yorks unter, bis er schließlich zusammen mit dem Prediger Peter einen Unterschlupf findet.
So vergehen mehrere Monate in denen die Versorgungssituation der Bevölkerung immer schlechter wird, die Ermittlungen im Mordfall O’Brian nur langsam voran kommen und das Verhältnis von Andy und Shirl beständig abkühlt. Als im Winter Nahrung und Wasser weiter rationiert werden, verschärfen sich die Aufstände der Alten. Auch Sol, Andys und Shirls Mitbewohner, schließt sich den Protesten an, verletzt sich dabei jedoch schwer und stirbt wenig später, da auch die medizinische Versorgung unzulänglich ist. Als eine vielköpfige Familie in die nun leere Zimmerhälfte einzieht eskaliert die seit längerem schwelende Krise zwischen Andy und Shirl endgültig und sie verlässt ihn um sich wieder einen reichen Gönner zu suchen. Schließlich kreuzen sich die Wege von Andy und Billy ein zweites und letztes Mal mit fatalen Folgen.

Es ist schwierig, die Faszination des Romans zu erklären. An der relativ simpel gestrickten Krimigeschichte liegt es sicherlich nicht, eben sowenig an den Charakteren, die teils recht schablonenhaft wirken. Auch der lapidare, unaufgeregte Schreibstil trägt nichts dazu bei, die raren dramaturgischen Höhepunkte, beispielsweise den Tod Sols oder der Kampf Billys gegen die Hausbesetzer, besonders hervorzuheben. Viel mehr liegt die große Stärke von Harry Harrison darin, einen für den Leser atmosphärisch dichten und durchaus plausiblen Hintergrund zu entwerfen. Wir haben zwar das Jahr 1999 hinter uns gebracht, ohne dass die im Roman beschriebenen Katastrophen eingetreten sind, doch ein Blick in die Nachrichten bestätigt, das wir doch auf dem besten Wegsind uns der Situation in Soylent Green anzunähern.
Während viele Science-Fiction-Romane und -Filme der 50er und 60er Jahre ein hochtechnisiertes Bild der Zukunft entwerfen, selbst die dystopischen Versionen, so ist der Fortschritt bei Soylent Green fast völlig zum Erliegen gekommen: Nachrichten werden per Boten übermittelt, Strom ist streng rationiert und ein Fernseher mit 70 cm Diagonale wird als „echtes Monstrum“ bezeichnet. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen und bietet einen radikalen Gegenentwurf zu den technologischen Wunderdingen, die aus anderen Romanen des Genres bekannt sind. Letztlich strahlt das ganze Setting  eine morbide Aura des Verfalls und Niedergangs aus, derer sich der Leser nur schwer entziehen kann.
Bei der Übersetzung hat der Mantikore Verlag eine solide Arbeit abgeliefert, sie ist durchweg stimmig und wird dem Original gerecht, selbst wenn einige Satzfehler dem Korrektor entkommen sind.
Zum Abschluss noch ein Wort der Warnung: Leser, die versuchen den Roman direkt mit dem Film zu vergleichen dürfen sich auf eine herbe Enttäuschung gefasst machen. So gibt es doch nur recht oberflächliche Parallelen in der Handlung und auch das ominöse, namensgebenden Soylent Green kommt nur kurz in einigen Nebensätzen vor.

Eine düstere, beklemmende Zukunftsvision, bei der Geschichte und Charaktere eher schmückendes Beiwerk sind.

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