Rückkehr ins StirnhirnhinterZimmer

31.03.2012 von Marcus Pohlmann

Rückkehr ins Stirnhirnhinterzimmer

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ISBN: 978-3939239093

Format: Softcover

Seiten: 208

Preis: 9,95

Erscheinungsdatum: 01.06.2011

Sprache: Deutsch

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Unter dem etwas sperrigen Titel StirnhirnhinterZimmer veranstalten drei nicht mehr ganz junge Berliner Autoren regelmäßig monatliche Lesungen, in denen sie kleine Geschichten vor Publikum zum Besten geben. Mit dem vorliegenden Rückkehr ins StirnhirnhinterZimmer veröffentlicht UBooks die zweite Sammlung der merkwürdigen Storys der Herren von Aster, Hoffmann und Koch. Jeder der drei Autoren ist dabei gleichberechtigt mit sechs kurzen Geschichten vertreten, die allesamt ein breites Spektrum an Themen und Ideen abdecken.

Im Rahmen einer Rezension auf alle Geschichten des Bandes einzugehen gestaltet sich recht schwierig, da die 18 enthaltenen Erzählungen zu unterschiedlich sind und auch ein durchgängiges Thema fehlt. Einige Storys weisen fantastische Elemente auf, während andere wiederum komplett darauf verzichten. Ebenso unterschiedlich wie die Geschichten, so decken auch die Protagonisten der Erzählungen eine gewaltige Bandbreite an merkwürdigen Figuren ab. So erfährt der Leser von Zwergen, die im Dienste der Stasi Abhörgeräte entwickeln, wie eine suizidale Fee einen letzten Wunsch erfüllt, von diversen Dämonen, die eine etwas andere Beschwörung zelebrieren oder auch wie der King höchstselbst als Elvis-Imitator in Ost-Berlin auftritt. Als kleines Beispiel möchte ich allerdings drei der Geschichten ausführlicher vorstellen, damit sich der Leser ein Bild davon machen kann, was ihn erwartet, wenn er das StirnhirnhinterZimmer betritt.
Keine Geschichte für Vegetarier ist „Sülze“ von Markolf Hoffmann. Erzählt wird sie von einem namenlosen Protagonisten, der nach dem Selbstmord der Mutter zusammen mit seiner Schwester Grete beim Onkel aufwächst. Ebenjener ist Metzgermeister und weit über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus für seine leckeren Produkte bekannt, einen besonderen Ruf genießt dabei die mehrfach prämierte Sülze von Onkel Jasper. Die beiden Kinder wachsen in der Metzgerei auf, helfen dort bei der täglichen Arbeit und werden auch in die Geheimnisse der Sülze-Herstellung eingeweiht. Im gleichen Maße, wie sich die Konkurrenz durch Billig-Discounter und Großschlachtereien ausbreitet, leidet das Geschäft des Metzgers und so beschäftigt sich dieser immer intensiver mit seinem Produkt, bis es schließlich zu einem unschönen und glibberigen Ende kommt. Oder um es mit den Worten von Herrn Hoffmann zu sagen „Schlachterpoesie!“.
In die nicht mehr ganz so weit entfernte Zukunft des Jahres 2024 entführt uns Boris Koch in „Fünf Minuten Berufskunde“ in einer Berufsschule. Die Ausbildung orientiert sich dort mittlerweile nicht mehr an Schule oder Leben, sondern nur noch an den Bedürfnissen des Marktes, und so bekommen die Schüler regelmäßig neue Berufe mit Zukunft vorgestellt. In der aktuellen Unterrichtseinheit wird die Laufbahn des diplomierten Leichenzählers vorgestellt der, von der UNO eingestellt, auf allen Schlachtfeldern der Welt zu Hause ist. Seine Aufgabe ist es, in Krisengebieten die Verluste der beteiligten Parteien zu erfassen und entsprechend eines ausgeklügelten Schlüssels Punkte zu vergeben. So bringen z.B. erfahrene Soldaten mehr Punkte als Zivilisten und bei toten Kindern droht sogar ein Punktabzug. Der freundliche Herr, der im Schulungsfilm zu sehen ist, geht dabei besonders auf die Vorteile dieser Zählweise ein und erläutert den gelangweilten Schülern die Bedeutung der Zahlen für etwaige Friedensverhandlungen, für die Berichterstattung der Medien aber auch für die mögliche Beförderung einzelner Soldaten mit besonders hohen Punktwertungen.
Den Abschluss des Bandes steuert Christian von Aster bei. In der Geschichte über die geplante Verfilmung von „StirnhirnhinterZimmer“ ringen chinesische Triaden, Quentin Tarantino, James Cameron und der Disney-Konzern um die Filmrechte und versuchen passende Merchandise-Produkte zur besagten Lesebühne auf den Markt zu bringen. Dass es sich dabei um Plastik-Pandas oder Dildos in Form von Boris Koch handelt, möchte sich der Leser lieber nicht vorstellen. Auch das bei dem Projekt Tom Cruise die Rolle von Markolf Hoffmann übernimmt, ist im ersten Augenblick nur schwer vorstellbar und doch steht es hier schwarz auf weiß. Inwieweit der Leser allerdings diesen und den weiteren Ausführungen von Herrn von Aster glauben mag, ist ihm selbst überlassen.

Die drei Autoren haben in Rückkehr ins StirnhirnhinterZimmer eine Menge skurriler Einfälle gesammelt und zu kleinen Geschichten ausgebaut, die sich einer Einordnung weitgehend entziehen. Es ist nahezu unmöglich, einen gemeinsamen Nenner bei den Storys auszumachen, dennoch sind alle 18 Erzählungen skurril, witzig, abwegig und auch ein klein wenig verschroben. Entsprechend reichen die Reaktionen beim Lesen dann auch von verwirrtem Kopfschütteln bei „Nach den Gartenzaunkriegen“, über stilles Nachdenken beim romantischen „Entenherz“, bis hin zu lautem Lachen am Ende von „Ein Leben frei von Eifersucht“. Große Literatur liegt hier sicherlich nicht vor, aber Freunde der etwas abwegigen Kurzgeschichte finden hier eine überaus gelungene Sammlung, die für jeden Geschmack etwas bietet, ganz und gar nicht langweilig wird und sich schnell lesen lässt. Eine wirklich schlechte oder auch nur mittelmäßige Story habe ich nicht gefunden, selbst wenn sich die Qualität des Geschriebenen nur höchst subjektiv bewerten lässt. Daher ist es auch schwer, einen Favoriten zu benennen, ohne die anderen Geschichten dabei abzuwerten. So bleibt für den potenziellen Leser nur die Empfehlung, einfach mal einen Blick in dieses Buch zu wagen und sich auf die Erzählungen der drei Autoren einzulassen, es lohnt sich.

Eine nette kleine Sammlung merkwürdiger Geschichten zum Kichern, Kopfschütteln, Nachdenken und Lesen, die Lust auf einen Besuch im StirnhirnhinterZimmer macht. Die Termine finden sich übrigens unter www.stirnhirnhinterzimmer.de.

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