Nick Cave – Mercy On Me

13.09.2017 von Marcus Pohlmann

Nick Cave - Mercy On Me

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ISBN: 978-3551764669

Format: Hardcover

Seiten: 325

Preis: 24,99

Erscheinungsdatum: 29.08.2017

Sprache: Deutsch

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Ich stehe der Veröffentlichung von Biografien noch lebender Persönlichkeiten etwas skeptisch gegenüber – hat dies für mich doch immer etwas Abschließendes. Auch das Format der Graphic Novel ist für solch eine Publikation ein eher ungewöhnliches Medium. Andererseits hat Autor und Zeichner Reinhard Kleist schon mehrfach bewiesen, dass er durchaus damit umzugehen weiß, so beispielsweise bei Johnny Cash oder Fidel Castro. Im Gegensatz zu den vorgenannten ist der Australier Nick Cave – wider Erwarten, könnte man sagen – noch quicklebendig und in Kürze mit neuem Album im Gepäck auf Deutschland-Tour.
In Nick Cave – Mercy On Me kann der Leser den Weg des Musikers vom aufmüpfigen Schüler über die Junkie-Karriere bis hin zum gefeierten Kritiker-Liebling in Bildform nachvollziehen. Veröffentlicht wird der 320 Seiten starke Hardcover-Band von Carlsen, die damit ihre „Graphic Novel“-Reihe weiter ausbauen.

Statt gleich in den Lebenslauf einzusteigen, wird das Buch durch die zeichnerische Umsetzung von „The Hammer Song“ eingeleitet. Dies gilt auch für die folgenden Kapitel – Ein- und Ausleitung beziehen sich dabei immer auf ein Lied oder einen Text. Erst danach begleitet Reinhard Kleist seine Hauptfigur durch die Schulzeit und bei den frühen Schritten in Richtung Musikerkarriere. Schon bei der ersten Band, The Boys Next Door, wird die Suche nach Exzessen jeglicher Art und Grenzüberschreitungen deutlich. Nachdem der wüste Sound der Band in Australien nicht ankommt, entschließt sich die Band in die Hauptstadt des Punk überzusiedeln – ins London des Jahres 1980. Der alte Name muss ebenfalls weichen; von nun an nennen sich die fünf Australier The Birthday Party. Doch auch hier bleibt der erhoffte Erfolg zunächst aus und man beschränkt sich weitgehend darauf durch die einschlägigen Clubs zu ziehen. Erst nachdem die Auftritte extremer und aggressiver werden erspielt sich die Band einen gewissen Bekanntheitsgrad, bis es zu Reibereien und Unstimmigkeiten kommt.
Das zweite Kapitel trägt den Titel „Where The Wild Roses Grow“ – den die Band Jahre später zusammen mit der Australierin Kylie Minogue aufgenommen hat. Auf der Suche nach neuen Inspirationen verschlägt es die Musiker 1983 ins geteilte Berlin. Hier tritt die Musik in den Hintergrund und der Autor konzentriert sich auf die Beziehungen innerhalb der Band – dargestellt als Mannschaft an Bord eines abgewrackten Schiffes. Darüber hinaus nehmen die Arbeiten von Nick Cave am Lyrik-Band King Ink, sein Drogenmissbrauch und die Beziehung zu Anita Lane einen Großteil des Raumes ein.
„And the Ass saw the Angel“, Titel des ersten Romans von Nick Cave gibt dem dritten Kapitel seinen Namen. Die Konflikte innerhalb von The Birthday Party werden immer größer, was schließlich zur Auflösung der Band führt. Zusammen mit Blixa Bargeld von den Einstürzenden Neubauten machen Nick Cave und Mick Harvey jedoch weiter Musik, nun unter dem Namen Nick Cave and the Bad Seeds. Parallel dazu schreiten die Arbeiten am Debütroman weiter voran und auch der Drogenkonsum erreicht neue Höhen.
„The Mercy Seat“ beginnt mit der Rückkehr nach London und dem Entzug, der fast das gesamte Kapitel einnimmt. Daran schließt sich eine ausgesprochen produktive Phase für die Band an, in der unter anderem auch das Album Murder Ballads entsteht. Nick Cave and the Bad Seeds sind auf dem Höhepunkt ihres kommerziellen Erfolges, spielen in ausverkauften Hallen und können sich über weltweite Chartplatzierungen freuen. Doch anstatt die Geschichte nahtlos weiter zu erzählen endet dieser Abschnitt mit einem abrupten Sprung in die Gegenwart.
Das letzte Kapitel, „Higgs Boson Blues“ trägt weniger biografische Züge, sondern lässt Nick Cave auf seine Schöpfungen treffen. Nach Elisa Day, Euchrid Eucrow und dem Verurteilten aus „The Mercy Seat“ begibt er sich schließlich zusammen mit dem früh verstorbenen Bluesmusiker Robert Johnson auf eine lange Fahrt durch brennende Landschaften. In deren Verlauf philosophieren die beiden über Musik, Kunst und das Leben selbst – nur um schließlich wieder auf der Bühne zu enden.
Komplettiert wird der Band mit einigen Informationen über den Autor, sowie einer Übersicht, welche Lieder, Gedichte und Geschichten verwendet wurden.

Wie jede andere Biografie, so werden auch bei Nick Cave – Mercy On Me die wichtigen Stationen im Leben des Musikers abgearbeitet. Damit endet aber auch schon die Ähnlichkeit mit einem normalen Lebenslauf. Seine wirkliche Faszination entfaltet die Geschichte nämlich durch die Einbindung der Anfangs-, Zwischen- und Endssequenzen. Diese nehmen immer wieder Bezug auf einzelne Lieder oder Geschichten und versuchen die Wirkung der Stücke zeichnerisch darzustellen was, zumindest bei mir, sehr gut gelingt. Reinhard Kleist hat sich offensichtlich nicht nur intensiv mit der Biografie von Nick Cave beschäftigt, sondern auch mit seinen Texten und seinem literarischen Werk. Im Idealfall verschmilzt beides miteinander und der Leser weiß nicht, ob er sich nun in einem Lied oder in der Realität des Musikers befindet. Dadurch dürfte Lesern, die sich bisher noch nicht mit der Materie auseinander gesetzt haben, der Zugang zu dieser Graphic Novel sehr schwer fallen. Fans (zu denen ich mich auch zähle) finden dagegen wenig belastbare Fakten, sondern einen Einblick ins Seelenleben des Musikers. Sehr schön gelungen sind auch die vielen Kleinigkeiten und Verweise, die zwar nichts mit der Geschichte selbst zu tun haben, aber stimmig die Atmosphäre der Zeit wiedergeben. So kann der Leser beispielsweise Bela B. Felsenheimer an einer Kneipentheke entdecken, die Tourplakate der angesagten Post-Punk-Bands des Jahres 1980 studieren oder einen Auftritt von Bauhaus miterleben. Einziger Kritikpunkt ist für mich der abrupte Sprung gegen Ende des vierten Kapitels. Hier werden die Jahre (grob geschätzt) 2004 bis 2015 einfach ausgeblendet, einschließlich der Trennungen von Bargeld und Harvey, sowie die Arbeit mit Grinderman.
Die Zeichnungen sind sehr nüchtern gehalten, mit harten, klaren Linien. Der Zeichner beschränkt meist auf die nötigsten Details und bevorzugte maximale Kontraste, bei denen sich die Schwarz- und Weißanteile die Waage halten. Aufgelockert wird dies durch die schon beinahe cartoonartigen Zwischensequenzen, bei denen auch Grautöne zum Einsatz kommen.

Mit Nick Cave – Mercy On Me legt Reinhard Kleist eine ungewöhnliche, aber sehr lesenswerte Biografie des australischen Musikers in Form einer Graphic Novel vor.

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