Der erste Spielleiter

28.01.2018 von Marcus Pohlmann

Der erste Spielleiter

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ISBN: 978-3867623032

Format: Hardcover

Seiten: 144

Preis: 27,95

Erscheinungsdatum: 04.01.2018

Sprache: Deutsch

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Ob sich daraus ein Trend entwickelt weiß ich nicht, aber zumindest erschienen in den letzten Jahren häufiger Biografien in gezeichneter Form, beispielsweise über Musiker wie Johnny Cash oder Nick Cave. Die nun bei Feder & Schwert veröffentlichte Graphic Novel widmet sich Leben und Werk von Gary Gygax. „Gary wer?!?“ mag jetzt der eine oder andere Leser fragen. Schon der Titel der Biographie beantwortet diese Frage: Der 2008 verstorbene Gygax war Der erste Spielleiter und der Schöpfer von Dungeons & Dragons – dem ersten Rollenspiel, dass als Blaupause für ein ganzes Hobby gilt.

Das erste der neun Kapitel in dem über 140 Seiten starken Hardcover-Band führt den Leser zu einem Treffen mit Gary Gygax auf die Lake Geneva Convention 2007. Gleichzeitig liefert es eine Erklärung der Grundstrukturen von D&D, die durchaus auch auf die meisten anderen Rollenspielsysteme übertragen werden können. Erst im folgenden Kapitel beschäftigt sich der Band mit biographische Fakten – betont dabei den Einfluss, den die Geschichten der Eltern und seine Umgebung auf Jungen hatten. Die schulische und berufliche Karriere von Gary ist nicht besonders glanzvoll. Erst mit der Entdeckung des, von Science-Fiction-Autor H.G. Wells verfassten, ersten Kosims Little Wars tritt eine entscheidende Wende ein. Regeln werden modifiziert, der berühmt-berüchtigte zwanzigseitige Würfel hält Einzug und die erste GenCon findet statt. Am Ende dieser Entwicklung steht Chainmail, wohl das erste Tabletop-Spiel mit Fantasy-Elementen.
Das dritte Kapitel widmet sich Dave Arneson, durch dessen Mithilfe Gary Gygax erst seine Spielidee entscheidend weiter entwickeln konnte. Durch die Zusammenarbeit der beiden entstehen Konzepte, die Spieler bis heute begleiten, beispielsweise Charaktererschaffung, Dungeon Crawl oder Erfahrungsgewinn.Aus dieser Entwicklung geht letztendlich im Januar 1974 Dungeons & Dragons mit seinen Klassen, Tabellen und Attributen hervor. Nachdem große Spieleverlage abgelehnt haben, gründen Arneson und Gygax mit Tactical Studies Rules, besser bekannt unter der Kurzform TSR, ihre eigene Firma und produzieren die Regelwerke im heimischen Keller. Die Spielerschaft wächst durch Mundpropaganda und das System wird durch weitere Bücher und Abenteuerbände ergänzt. Auch die Ausrichtung der GenCon ändert sich von einer reinen Kosim-Veranstaltung hin zu einer Rollenspiel-Con. Inspiriert durch D&D verwirklichen einige Computer-Nerds ihre eigenen Spielideen auf den heimischen Rechnern, beispielsweise Richard Gariott mit seiner Ultima-Reihe.
Schließlich geraten das Spiel und seine beiden Schöpfer durch das Verschwinden und den späteren Selbstmord eines Teenagers in den Fokus der Öffentlichkeit. Medien, Politiker, Eltern und religiöse Organisationen feinden die Autoren an – schrecken selbst vor Morddrohungen nicht zurück. Dennoch kann diese Episode den Erfolgszug des Rollenspiels nicht aufhalten. Eine Zeichentrickserie folgt, die Firma wächst, immer neue Produkte kommen auf den Markt und der Umsatz steigt. Doch die mit der Firmenführung betrauten Manager häufen immer mehr Schulden an. Über die finanziellen Probleme und Fragen nach der Ausrichtung zerstreiten sich schließlich die beiden Gründer. Nach seiner Entmachtung durch eine neue Managerin verlässt Gary Gygax 1986 seine Firma. Das achte Kapitel widmet sich der generellen Entwicklung des Rollenspiels – sowohl der Pen & Paper-Variante, als auch im Computerspiel. Neue Regeledition von D&D erscheinen, die Firma wechselt den Besitzer, World of Warcraft revolutioniert das Online-Rollenspiel und immer mehr Spieler machen sich daran, eigene Systeme zu entwickeln.
Das letzte Kapitel beginnt mit den Nachrufen auf Gary Gygax, der 2008, starb und Dave Arneson, der im folgenden Jahr einem Krebsleiden erlag. Daran schließt sich ein Blick auf den Einfluss an, den Dungeons & Dragons mittlerweile hat. Das Spiel wird in Fernsehserien und Filmen zitiert, hat prominente Spieler und erfreut sich ungebrochener Popularität.

Der Erzählstil von Der erste Spielleiter erinnert stark an frühe Rollenspielabenteuer. Der Autor beschreibt eine Szene, die der Zeichner im Bild darstellt. Unter normalen Umständen eine unnötige Zeilenschinderei, in diesem besonderen Fall jedoch sehr stimmig und passend. Auch der Wechsel zwischen realer Welt, Fantasy-Motiven und einzelnen Panels mit Kommentaren der Beteiligten ist gut gelungen und könnte durchaus einer Fernseh-Dokumentation entlehnt sein. Der Leser bekommt hier die wichtigsten Informationen zur Entstehung des (immer noch) bedeutendsten Pen & Paper-Rollenspiels, seine Schöpfer und die Entwicklung des Hobbies. Der Schwerpunkt des Bandes liegt natürlich auf D&D – dennoch vermisse ich spätere Projekte von Gary Gygax, ebenso wie sein, phasenweise turbulentes, Privatleben. Beides wird leider nur sehr knapp am Rande erwähnt.
Der Zeichenstil von Koren Shadmi legt nicht übermäßig viel Wert auf Details. Die Strichführung ist ebenfalls eher zurückhaltend und auch allzu krasse Kontraste werden durch den großzügigen Einsatz von unterschiedlichen Grauschattierungen meist vermieden. Dadurch ergibt sich ein angenehm unaufgeregtes Gesamtbild, bei dem sich der Leser voll auf die Geschichte konzentrieren kann. Der Hardcover-Band wird durch eine Spotlackierung des Titelmotivs und durch einen Kapitalband zusätzlich aufgewertet.

Der erste Spielleiter ist für Nostalgiker und Rollenspielveteranen zweifellos eine Pflichtlektüre und liefert dabei einen unterhaltsamen Rückblick auf die Entstehung des Hobbies.

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