Kategorie: Belletristik, Englische Bücher, Fachliteratur
Autor: Miguel Fliguer
Herausgeber: Miguel Fliguer
Genre: Horror, Kochen, Ratgeber
ISBN: 978-1521077801
Format: Softcover
Seiten: 160
Preis: 8,56
Erscheinungsdatum: 17.04.2017
Sprache: Englisch
Der Hype um den leider schon viel zu früh verstorbenen Howard Phillips Lovecraft nimmt bisweilen merkwürdige Ausmaße an. Nachdem der von ihm geschaffene Cthulhu-Mythos in fast jeder Hinsicht weidlich ausgenutzt wurde, muss der Autor nun eben selbst herhalten. Praktisch jeder Aspekt seines Lebens wurde bereits ausführlich analysiert und interpretiert; einzig die Ernährung kam in dieser Hinsicht ein wenig zu kurz. Diesem Umstand will nun der Argentinier Miguel Fliguer abhelfen. Im Selbstverlag veröffentlicht er mit Cooking with Lovecraft – Supernatural Horror in the Kitchen eine, nicht ganz ernst gemeinte, Mischung aus Kochbuch und Kurzgeschichtensammlung, die ihre Inspiration in erster Linie aus den Werken Lovecrafts zieht.
Der rund 160 Seiten starke Softcover-Band beginnt mit einer relativ umfangreichen Danksagung und einem kurzen Artikel über Lovecrafts eigene Ernährung. Diese beschränkte sich, gut dokumentiert durch seine umfangreiche Korrespondenz, in erster Linie auf Brot, Bohnen, Käse und Eiscreme. Doch statt Rezepte mit diesen Zutaten zu liefern, verbinden die 23 Kurzgeschichten allesamt Elemente des Cthulhu-Mythos mit der Nahrungsaufnahme. Dabei liefert nicht zwingend jede Geschichte ein dazu passendes Rezept.
Einem Fragment des (fiktiven) Necronomicon ist das Rezept für den „Irem Hummus“ entnommen. Geschrieben in altertümlichem Englisch gleicht die Anleitung für diese Kichererbsen-Paste eher einem alchimistischen Rezept. Schatten über Innsmouth dürfte eine der bekanntesten Geschichten Lovecrafts sein – da darf eine passende Anleitung nicht fehlen. Bei den „Sausage Deep Ones“ handelt es sich, recht simpel, um Frankfurter Würstchen oder „knackwursts“, die bis zur Hälfte geviertelt und dann in heißem Wasser erhitzt werden. Dabei drehen sich die vier Wurstenden Tentakeln gleich dem Koch entgegen. „How I Fed Your Mother“ verzichtet dagegen ganz auf ein Rezept – wahrscheinlich wäre es schwierig genug junge Pfadfinder für die Zubereitung zu finden. Stattdessen bekommt der Leser eine kurze, knackige Geschichte über einen jungen Mann, der der Dunklen Ziege der Wälder besagte Gruppe Pfadfinder im Austausch gegen sein eigenes Leben serviert. Eigentlich gehört in den „Anziques Kebab“ ebenfalls Menschenfleisch, stattdessen empfiehlt der Autor Rind. Das Hauptaugenmerk bei diesen Fleischspießen liegt jedoch auf der Marinade mit ihrer blutroten Farbe. Neben Apfelessig, Honig und verschiedenen Gewürzen kommt auch ein großzügiger Schuss Whisky in die Mischung. Die Kurzgeschichte Der Tempel stand Pate für das folgende „Bratwurst mit Sauerkraut“. In der ursprünglichen Story gibt das Logbuch eines deutschen U-Boot-Kapitäns Auskunft über das Schicksal von Boot und Mannschaft. Miguel Fliguer beschreibt dagegen die gleichen Ereignisse aus dem Blickwinkel des Schiffskochs. Im Mittelpunkt steht dabei jedoch die allabendliche Mahlzeit bestehend aus der titelgebenden Bratwurst mit Sauerkraut. Dabei hat sich das Rezept relativ weit am Ende der Geschichte im Text versteckt und dreht sich in erster Linie um die Zubereitung des Sauerkrauts im Ofen. Ins ungarische Visegrád führt „Ghoulash“ den Ich-Erzähler der nachfolgenden Story. Der junge Tourist bereist Osteuropa und findet dabei ein Restaurant mit einer sehr eigentümlichen Spezialität. Zuerst ist er nach der Unterhaltung mit Kellner und Koch und deren Andeutungen über die Zubereitung ein wenig verstört. Doch schon nach kurzer Zeit entwickelt er einen recht ungesunden Appetit und möchte unbedingt einen Nachschlag des Ghoulasch. Auch in dieser Geschichte ist das dazugehörige Rezept wieder recht gut versteckt – in der Unterhaltung zwischen Küchenchef Istzvan und dem Weltenbummler. Einem recht modernen Ansatz folgt „The 419 Eater“. Diese Kurzgeschichte präsentiert sich in Form einer Mail-Unterhaltung zwischen einem Spammer (Einziges Kind, riesiges Familienvermögen, schwierige Umstände) und Tobias, einem Einwohner der Hafenstadt Innsmouth. Tobias erklärt sich bereit, das Geld in Abidjan abzuholen und reist mit einer beträchtlichen Menge Bargeld zur Bestechung an die Elfenbeinküste. Dort angekommen erwarten ihn schon drei zwielichtige Gestalten; glücklicherweise ist ein entfernter Onkel von Tobias auch zur Stelle und es gelingt die verhinderten Räuber unschädlich zu machen (und anschließend zu verspeisen – roh). Dagegen folgt mit „Poached Pears in Spiced Vinum Sabbati“ praktisch ein gewöhnliches Rezept – mit Zutatenliste und klarer Anleitung. Gedacht sind die Birnen als üppiges Dessert mit mächtiger Sauce. Die Hauptzutat ist dabei Rotwein mit einem kleinen Schuss Ouzo und Zimt, mit der das weich gekochte Obst zusammen mit Vanille-Eis serviert wird.
Die Rezepte, die Miguel Fliguer in Cooking with Lovecraft auflistet reichen von simplen heißen Würstchen bis hin zu aufwendigen, komplexen Marinaden. Die Anleitungen – zumindest diejenigen, die ich ausprobiert habe – sind durchaus schmackhaft. Auch die meisten Zutaten (von Menschenfleisch einmal abgesehen) lassen sich auch auf dem einheimischen Markt problemlos besorgen. Nur bei wenigen Anleitungen musste ich ein einschlägiges Übersetzungsprogramm zu Rate ziehen. Die dazugehörigen Kurzgeschichten sind durchweg originell, abwechslungsreich und gut geschrieben. Der Autor schafft es praktisch immer, einen, wenn auch häufig nicht ernst gemeinten, Bezug zum Lovecraft’schen Cthulhu-Mythos herzustellen. So entpuppt sich beispielsweise „The Uneatable“ als grüner Wackelpudding oder die „Baby Shantak Wings“ sind nichts anderes als marinierte Hühnerflügel. Tatsächlich gelingt es Miguel Fliguer mit dem Band den Leser einerseits gut zu unterhalten und ihm quasi nebenbei einige schmackhafte Rezepte mit auf den Weg zu geben.
Layout, Lektorat, Aufmachung und Druckqualität sind für ein Buch im Selbstverlag recht ordentlich. Die Cover-Gestaltung spricht, zumindest mich, nicht wirklich an; dagegen ist der Holzschnitt der Anziquen-Metzgerei nett anzuschauen. Interessant finde ich auch die Angabe der verschiedenen Inspirationsquellen und die kurze Einleitung „Does Cooking belong in Lovecraft?“, die den Leser recht gut auf den Inhalt des Buches einstimmt.
Cooking with Lovecraft ist trotz des Titels weniger ein Kochbuch, sondern viel mehr eine nette, kleine Sammlung unterhaltsamer Horror-Kurzgeschichten, in die sich einige Rezepte verirrt haben.