Artikel 13 – Was uns die Urheberrechtsreform 2019 bringt

20.02.2019 von Joanna Müller-Lenz

Artikel 13 - Urheberrechtsreform und was sie uns bringt

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Wer heute einen Blick in die Youtube-Trends wirft, wird überschwemmt von Videos zu „Artikel 13“. Das Thema ist im Moment in aller Munde. Dabei ist das Thema gar nicht so neu. Was sich dahinter genau verbirgt, welche Konsequenzen Artikel 13 mit sich zieht und wie die Zukunft des Internets aussehen könnte möchte ich hier näher erläutern.

Artikel 13 – Der Anfang

Alles begann schon vor über zwei Jahren, als sich Verantwortliche in der EU zusammenschlossen und darüber debattierten, ob wir eine Urheberrechtsreform brauchen. Das deutsche Urheberrechtsgesetz ist in seiner heutigen Form seit dem 1. Januar 1966 in Kraft, also seit über 50 Jahren. Damals gab es weder Internet noch andere digitale Medien, wie wir sie heute kennen. Die Verbreitung von (alten) Medien fand über Druckerzeugnisse, Funk und Fernsehen statt. Sie war reglementiert, da nicht jeder einfach so einen Fernsehsender an die Öffentlichkeit bringen konnte.

Damals tickte die Welt noch anders. In der Regel wurden Nachrichten erst verbreitet, wenn klar war, was passiert ist. Journalisten haben kritisch hinterfragt und teilweise monate- oder gar jahrelang recherchiert, bevor eine Enthüllung stattgefunden hat. Heute läuft das alles im Sekundentakt dank Twitter und Co. Ohne genaueres Hintergrundwissen werden renommierte Nachrichtensendungen dazu gezwungen Berichterstattungen zu veröffentlichen, die noch gar nicht vernünftig aufgearbeitet wurden. Chefredakteure können die neusten Nachrichten höchsten kurz überfliegen, bevor sie online gestellt werden. Es kommt vermehrt zu Falschmeldungen und Halbwahrheiten. Sogenannte Fake-News sind hier ausgeschlossen, denn im Gegensatz zu den unabsichtlichen Falschmeldungen, die wegen Zeitmangel nicht vernünftig journalistisch aufgearbeitet werden konnten, verbreiten diese mit Absicht Lügen und Halbwahrheiten.

Aber zurück zu Artikel 13:
Am 25. Mai 2018 einigte sich der EU-Ministerrat auf einen Entwurf für die geplante Richtlinie, die Upload-Filter fordert. Knapp einen Monat später, am 20. Juni stimmte der Justizausschuss des EU-Parlaments den Kompromissanträgen zu. Der zuständige Berichterstatter war und ist der CDU-Politiker Axel Voss.

Seitdem kursiert immer wieder das Gerücht umher, dass das Internet, wie wir es kennen, bald nicht mehr existieren wird. Schwarzmaler kündigten an, dass Youtube 2019 stirbt. Wir haben nun 2019 und Youtube lebt noch.  Die Frage ist jedoch, wie lange noch?

Artikel 13 und die öffentliche Wahrnehmung

In den letzten Wochen wurde auch innerhalb des EU-Parlaments heiß über den Entwurf zu Artikel 13 diskutiert. Laut gängiger Meinung sieht Artikel 13 vor, dass Online-Plattformen, die usergenerierte Inhalte der Öffentlichkeit zugänglich machen, dazu verpflichtet sein sollen Upload-Filter zu verwenden um Urheberrechtsverletzungen entgegen zu wirken. Genau bedeutet das folgendes:

Wenn ein User eine Video-, Text-, Bild- oder Ton-Datei ins Internet stellen möchte, muss die Plattform, auf der es online kommt, einen Upload-Filter bereitstellen. Beim Upload folgt dann über diesen Filter ein Abgleich, ob sich in dieser Datei etwas verbirgt, an das eine dritte Person die Rechte hat.

Beziehen wir das Beispiel auf Youtube, dann kann ein Musikvideo von einer Person nicht online erscheinen, weil der Upload-Filter erkennt, dass die Rechte an der Musik oder am Video bei dem Urheber oder Rechteinhaber liegen.

Solche und ähnliche Filter aind auch heute schon im Einsatz, weshalb wir Meldungen wie „Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“ bereits kennen. Witziger weise sperrte Youtube solche Videos auch, wenn die Rechteinhaber sie online gestellt haben. Musiker die ihre eigenen Songs hochladen, sind in Deutschland nicht verfügbar gewesen, weil GEMA und Youtube sich gestritten haben. Da der Musiker bei der GEMA war, hat Youtube sein Video gesperrt.

Artikel 13 und der Upload-Filter

Wer sich den Wortlaut von Artikel 13 genau durchliest, wird an keiner Stelle das Wort „Upload-Filter“ finden. Darauf stützen sich die Befürworter der Richtlinie. Leider wird dabei aber übersehen, dass es im Wortlaut bedeutet, dass Plattformen sich dazu verpflichten alles dafür zu tun, dass urheberrechtlich bedenkliche Inhalte nicht mehr online kommen. Und das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Plattform beim Upload filtern muss, was rechtlich einwandfrei ist und was nicht. Die einzige wirtschaftlich machbare Lösung ist das über algorithmische Suchen zu machen, also einen Upload-Filter als Software.

Social-Media-Plattformen und große Konzerne wie Microsoft bedienen sich dabei – jetzt schon – einer gemeinsamen Datenbank, um bestimmte Inhalte schnell zu erkennen und sofort zu entfernen. Insbesondere nutzen sie dies, um Terrorismus und Extremismus auf ihren Plattformen zu unterbinden.

Wie gut das in der Vergangenheit funktioniert hat, sehen wir tagtäglich auf Facebook, Twitter und Co, wo User manuell Hasskommentare melden müssen, weil ein Upload-Filter diese eben nicht erkennt. Manuelle Nacharbeitung ist erforderlich und oft erhalten die User, die Kommentare oder Falschmeldungen melden, das Feedback, dass die manuelle Prüfung keinen Verstoß ergab und das Posting rechtmäßig hochgeladen wurde und online bleiben darf.

Wer haftet in Zukunft und wer profitiert?

Wenn der Entwurf in Kraft tritt und damit das Urheberrecht wirklich reformiert wird, ist vorgesehen, dass Plattformen, die den Upload von urheberrechtlich geschütztem Material ermöglicht haben, zur Verantwortung gezogen werden. Plattform-Betreiber wie Facebook, Youtube und Twitter sollen künftig Lizenzen mit Rechteinhabern aushandeln. Das wünscht sich auch die GEMA.

Vor Jahren schon war der Aufschrei groß, dass Youtube Videos sperrte, weil es keine Regelung mit der GEMA gab. Das Resultat waren die bereits erwähnten Sperren beim Video, dass es in dem Land, von dem der User auf das Video zugreifen wollte, nicht möglich sei. Dieser Entwurf der EU-Urheberrechtsreform soll das Problem nun lösen.

Dr. Ralf Weigand, Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA erklärt in einem Youtube-Video, wie sich Artikel 13 auf Youtube und Co auswirken soll und welche Vorteile er darin sieht. Seiner Aussage nach ist der Artikel 13 nur dafür da Regelungen zu treffen, die Rundfunksender schon seit Jahrzehnten haben. Radio und Fernsehen können auf ein weitgefächertes Repertoire an Musik und mehr zurückgreifen, da sie geschützt durch Lizenzverträge die Erlaubnis haben, diese Werke zu nutzen. Von den Werbeeinnahmen, die ein Sender verdient, wird ein Teil an die Verwertungsgesellschaften, wie die GEMA, abgeführt und diese Gelder werden auf die Urheber verteilt. In erster Linie soll Artikel 13 also dazu führen, dass Urheber eine ansprechende Vergütung erhalten.

Wie gut sind Upload-Filter?

Ein großer Kritikpunkt ist die mangelnde Qualität der Upload-Filter. Sie sind störanfällig und manipulierbar, das erkennt man unter anderem daran, dass sie bereits längst verwendet werden. Youtube beispielsweise nennt seinen Upload-Filter „Content ID“. Trotzdem kommen immer wieder urheberrechtlich geschützte Inhalte online.

Der Knackpunkt ist jedoch, dass Kritiker des „Artikel 13“ nun befürchten, dass die großen Plattformen die Upload-Filter strenger machen werden und Content gar nicht mehr online kommen wird, obwohl er rechtlich einwandfrei ist. Per se soll erst einmal ausgeschlossen werden, was lizenzrechtlich eventuell kritisch sein könnte. Dass Plattformen wie Youtube als Google-Dienst keine großen Schwierigkeiten haben sollten zu erkennen, welche Inhalte bereits geschützt sind, ist dabei nachvollziehbar, das sagt auch Weigand. Wenn Google es nicht weiß, wer dann? Nur wird hier leider ein wichtiger Aspekt ausgelassen: Was ist mit den Plattformen, die nicht unter dem Dach Google oder Facebook sind? Wer kann es sich leisten einen Upload-Filter programmieren zu lassen, der die Kriterien erfüllt?

Aber ist ein Upload-Filter wirklich Pflicht? Eigentlich ist es ganz einfach. Es geht nicht darum, dass Plattformen einen Upload-Filter verwenden sollen, sie haben nämlich die Wahl: Upload-Filter soll nur die Plattform einsetzen, die nicht haftbar gemacht werden will. Man ist also entweder haftbar für die Inhalte, oder hat sein bestmögliches getan, um nicht gegen das Urheberrecht zu verstoßen. Youtube darf also entweder für jeden Content haftbar sein, oder es muss den Upload verhindern. Für etwas haftbar zu sein, bedeutet, dass Rechteinhaber klagen dürfen. Das können sie natürlich nur, wenn der Content online ist. Es ist jedoch nicht so, dass die Rechteinhaber nicht jetzt schon klagen könnten, das können sie! Sie können momentan nicht Youtube verklagen, dafür aber den User, der es hochgeladen hat. So ist die momentane Rechtslage in Deutschland.

Lizenzen als Allheilmittel?

Vielen Rechteinhabern ist es aber recht, wenn User ihren Content verbreiten. Let’s Plays verbreiten sehr viel geschütztes Material, was die Spieleentwickler aber gerne sehen, es ist schließlich Werbung für sie. Blogger und Youtuber veröffentlichen Kundenrezensionen zu verschiedenen Produkten, diskutieren über Trailer – alles urheberrechtlich geschütztes Material. Woran will der Upload-Filter erkennen, dass der eine User das verwenden darf, der andere aber nicht? Die Folge wird sein, dass alles ausgeschlossen wird, was kritisch sein könnte.

Dem könnte man teilweise entgehen, wenn man Lizenzen abschließt, aber diese sind dann auch nur auf die Inhalte der GEMA oder anderer Verwertungsgesellschaften anwendbar, einzelne Rechteinhaber werden sehr wahrscheinlich davon ausgenommen sein, weil sie einfach zu klein und es zu viele sind, um sie alle berücksichtigen zu können. Lizenzen werden also Youtube nicht helfen, die Plattform ist trotzdem haftbar. Entsprechend muss der Upload-Filter so oder so her. Das größte Problem jedoch ist die Verschiebung der Schuld bei Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz. Im Moment haftet derjenige, der die Straftat begangen hat. Das ist logisch und auch fair, wer möchte schon für die Vergehen anderer haften? Plattformweite Lizenzen würden natürlich dazu beitragen, dass die User weniger Verstöße begehen, aber das wäre auch jetzt schon der Fall ohne die Reform.

Und damit stellt sich der Artikel 13 ganz anders dar, als von Dr. Weigand und der GEMA behauptet.

Was uns die Zukunft bringt

Auch wir fallen unter die Plattformen, die haftbar sind. Für uns bedeutet das, dass wir einen Upload-Filter brauchen. Nur sind „wir“ eigentlich ich alleine und „wir“ haben auch bei weitem nicht genug Umsatz, um so einen Filter finanziell stemmen zu können. Ganz davon ab verwenden wir ganz legal urheberrechtlich geschütztes Material. Jetzt stehen wir aber der Gefahr gegenüber, dass Personen, denen eine Rezension bei uns nicht positiv genug war, uns anklagen könnten. Am Ende ist das die Beschneidung der Pressefreiheit, die ebenfalls gerne von Kritikern thematisiert wird. Damit haben Youtube und GEMA nichts zu tun, aber ihr kleiner Krieg wird auf dem Rücken aller Contentersteller im Internet ausgetragen.

Wie sich das dann tatsächlich auswirken wird, werden wir sehen, wenn es soweit ist. Noch habe ich Hoffnung, dass dem Entwurf nicht zugestimmt wird und die Politiker einsehen, dass sie damit nur den großen Plattformen helfen und damit zu mehr Lobbyismus beitragen und die Rechte vieler beschneiden statt sie zu schützen. Aus diesem Grund habe natürlich auch ich die Petition gegen Artikel 13 unterschrieben und hoffe, dass sich noch viele anderen anschließen. Denn wir haben ein gutes Urheberrecht. Wer sein geistiges Eigentum freigeben möchte, kann dies jetzt schon Dank Fair-Use Lizenzen tun. Wer einen Missbrauch seiner Rechte sieht, kann auch jetzt schon Maßnahmen ergreifen und sein Urheberrecht einfordern. Dafür brauchen wir weder Upload-Filter noch Artikel 13.

2 Gedanken zu “Artikel 13 – Was uns die Urheberrechtsreform 2019 bringt”

  1. Das Traurige ist ja, dass die Entscheidung über diese Dinge in weiten Teilen bei Menschen liegt, die moderne Kommunikationsmittel wahlweise als Neuland, Teufelszeug oder eine weitere Möglichkeit ansehen, ihre Agenden durchzudrücken.

    Wobei es natürlich auch im Netz Regeln geben muss – alleine um die schlimmsten Auswüchse etwas einzudämmen.

    1. Joanna Lenc sagt:

      Ich habe kein Problem damit, dass Regelungen geschaffen werden sollen. Nur brauchen wir keine Regelungen, wo schon welche da sind, die wirklich alles abdecken, zumindest was das Urheberrecht angeht. Hier geht es aber niemandem um das Urheberrecht, hier geht es darum den Großen Geld aus der Tasche zu ziehen und die wissen ganz genau, was sie tun müssen, damit das Geld bei Ihnen bleibt. Keiner wird freiwillig irgendwelche Lizenzen abschließen, wo es sich vermeiden lässt.

      Leider denkt Herr Voss, er hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen, nur schadet er damit sehr genau denjenigen, die er angeblich fördern will. Und zeigt keine Einsicht. Das ist wirklich traurig. Am Ende dürfen dann alle Kreativen, weil es sonst keine Möglichkeit gibt, ihren Schaffensprozess als Hobby betreiben, weil das Gesetz ja nur kommerzielle User betrifft.

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