John Sinclair – Das Abenteuerspiel

19.08.2011 von Marcus Pohlmann

John Sinclair - Das Abenteuerspiel

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Erscheinungsdatum: 01.10.2009

Sprache: Deutsch

Vielen Lesern, die in den 80er und 90er Jahre des letzten Jahrhunderts aufgewachsen sind dürfte der Name „John Sinclair“ ein Begriff sein. An jedem Kiosk gab (und gibt) es die wöchentlich erscheinenden Abenteuer des Geisterjägers und seiner Gefährten. Im Laufe der Jahre gesellten sich zu den Heftromanen auch Taschenbücher, Hörspiele und -bücher, eine kleine Fernsehserie und verschiedene Computerumsetzungen. Der hessische Verlag Ulisses Spiele hat sich schließlich mit John Sinclair – Das Abenteuerspiel nun auch daran gemacht die Welt des Geisterjägers den heimischen Rollenspielern zu erschließen.

Die erste Auffälligkeit des Bandes ist das Format, kommt der Band doch relativ klein und handlich mit seinen 17 x 23 cm daher. Eine solide Hardcover-Bindung mit blutrotem Lesebändchen und einer ebenso finsteren wie schlichten Covergestaltung machen neugierig auf den Inhalt.
Die Einleitung gibt dem Leser einen kurzen Einblick zur Entstehung des Spieles und fasst die wichtigsten Ereignisse aus der John-Sinclair-Romanreihe kurz und knapp zusammen. Das anschließende Solo-Abenteuer vermittelt seinem Spieler/Leser dann auf den nächsten fünfzig Seiten in 61 Abschnitten die richtige Stimmung für den folgenden Teil.
Erst im Anschluss an diese ungewöhnliche Einführung bekommt der Leser die Spielregeln präsentiert, die auf weniger als 30 Seiten fast alles enthalten, was Erzähler und Spieler wissen müssen um erfolgreiche Abenteuer zu bestehen. Der Kern der Regeln ist denkbar einfach: Jeder Charakter verfügt über die Attribute „Körper“, „Geist“ und „Seele“, die Werte zwischen eins und vier haben. Jedem Attribut untergeordnet sind zudem bestimmte Fertigkeiten wie „Athletik“, „Heimlichkeit“ oder „Willenskraft“ in denen jeder Charakter bis zu drei Punkte haben kann. Um eine Probe nun zu bestehen addiert der Spieler die Punkte für das betreffende Attribut und die einzusetzende Fähigkeit nebst weiteren Modifikatoren und erhält so eine bestimmte Anzahl sechsseitiger Würfel. Mit diesen muss nun „5“ oder „6“ erreicht werden um zu bestehen, wobei, je nach Schwierigkeit, ein oder mehrere Erfolge benötigt werden. Auf diese Weise kann der Regelmechanismus erstaunlich flexibel viele Situationen abdecken und hält zudem den Verwaltungsaufwand niedrig.
Erst nach diesem, wenn auch kurzen, Regelteil folgt alles Wissenswerte was die Spieler zur Erschaffung ihrer Geisterjäger brauchen. Der zentrale Aspekt in diesem Bereich sind die Abenteuerpunkte mit denen Fähigkeiten gekauft und Werte gesteigert werden können. Mit diesen werden zudem auch besondere Vorteile bezahlt, sollte sich ein Charakter Dinge wie „Meditation“, einen „Presseausweis“ oder einen „Starken Willen“ wünschen. Diese Vorteile sind zwar recht teuer was die Punktkosten angeht, können aber im Abenteuerverlauf durchaus der entscheidende Faktor sein. Aber nicht nur der Charakter selbst lässt sich mit Hilfe der Abenteuerpunkte formen, auch die Ausrüstung muss über diese bezahlt werden. Die Überlegung hierbei ist, dass sich die Charaktere die wirklich mächtigen, wichtigen und auch teuren Gegenstände aus der Asservatenkammer von Scotland Yard gegen eine Gebühr von Abenteuerpunkten ausleihen können und diese nach bestandenem Abenteuer wieder zurückgeben.
Ein weiterer, recht augenfälliger, Aspekt von John Sinclair – Das Abenteuerspiel sind die Gruppen- und Erzähleraktionen. Diese werden aus einem Pool von Schicksalspunkten bezahlt, den sich Spieler und Erzähler erst erarbeiten müssen um dann die entsprechende Karte ausspielen zu können. Diese Karten finden sich am Ende des Buchs als Kopiervorlagen können aber auch von der Verlagshomepage herunter geladen oder käuflich erworben werden. Diese Aktionen verleihen dem Spiel erst seine wirkliche heroischen, denkwürdigen Momente, wenn z.B. das Magazin der Waffe im entscheidenden Augenblick leer ist, ein schon besiegter Widersacher sich als besonders widerstandsfähig herausstellt oder ein Geistesblitz die Schwachstelle eines Monsters enthüllt bzw. ein Geisterjäger noch irgendwo in den Tiefen seines Mantels eine Weihwasserflasche findet.
Damit sind die Regeln, was Charaktererschaffung und Spielablauf angeht abgehandelt und die frisch gebackenen Geisterjäger können sich in „Das Horrordorf“ ihrer ersten wirklichen Herausforderung stellen. In Südengland im kleinen beschaulichen Dorf Bingor gehen merkwürdige Dinge vor sich und Scotland Yard schickt die Charaktere aus um einigen Vorfällen nachzugehen. In drei Kapitel, die wiederum in verschiedenen Szenen unterteilt sind versuchen die Charaktere nun das Geheimnis eines verschwundenen Dorfes zu entschlüsseln, einem unheimlichen Priester das Handwerk zu legen und dabei mit dem Leben davon zu kommen.
Wie es sich für ein Regelwerk gehört finden sich in den nächsten Kapiteln auch zahlreiche Untote, Monster und zwielichtiges Gesindel mit denen sich die Geisterjäger in Zukunft herumschlagen können. Die Präsentation ist hier umfangreich ausgefallen und für jedes Monster gibt es zwei bis drei Seiten Text in denen sämtliche spielrelevanten Informationen zusammengefasst sind, dazu noch einige Hintergrundinformationen über die Kreaturen und außerdem eine entsprechende Illustration. Im Anschluss finden sich einige wertvolle Verbündete, die dem Leser auch schon aus den Romanen bekannt sein dürften. Zum Abschluss finden sich in dem Band noch die Kopiervorlagen für die verschiedenen Aktionskarten, den Charakterbogen und ein schickes Poster.

Ulisses Spiele legt mit John Sinclair – Das Abenteuerspiel so etwas wie ein Rollenspiel Light vor, richtet sich der Band doch vornehmlich an Gelegenheitsspieler oder Leute die mit Rollenspiel bisher noch nichts zu tun gehabt haben und beschreibt das Spiel in eigenen Worten als Brettspiel ohne Brett, Computerspiel ohne Computer und Leseabend ohne Roman. Und erstaunlicherweise funktioniert diese Zielsetzung sogar ausgesprochen gut. Die Regeln sind einfach genug um auch von Neulingen sofort verstanden zu werden, der Hintergrund ist den meisten Lesern, zumindest ansatzweise, bekannt und es ist recht einfach sich mit seinem Spielcharakter zu identifizieren. Auch ist es den Autoren sehr gut gelungen das besondere Flair der Romane umzusetzen ohne dabei die Charaktere zu reiner Staffage zu reduzieren. Zudem bieten sich mit der Möglichkeit des „Ausleihens“ von Gegenständen und den Aktionskarten zwei interessante Regelmechanismen, die dem Spiel eine gewisse Würze und Unwägbarkeit verleihen und wirklich denkwürdige Spielmomente hervorbringen können.
Das enthaltene Abenteuer eignet sich sehr gut auch für unerfahrene Erzähler und hält für fast alle Eventualitäten Tipps und Hinweise bereit, damit alle Beteiligten Spaß daran haben. Grade der Aufbau des Abenteuers dürfte aber wohl auch, besonders bei hart gesottenen Rollenspiel-Veteranen für gemischte Gefühle sorgen, wird hier das so genannte „Railroading“ oder die Gängelung durch den Spielleiter sehr ausgeprägt betrieben.
Die Aufmachung ist optisch sehr ansprechend, das Layout übersichtlich und die zahlreiche Illustrationen orientieren sich stark an den Romancovern. Wichtige Passagen werden sowohl im Text und auch als Randbemerkung hervorgehoben, so dass eine Orientierung innerhalb eines Kapitels schnell und unkompliziert von statten geht. Leider wurde auf einen Index verzichtet, so dass dem Leser nur der Blick ins Inhaltsverzeichnis bleibt. Von diesem kleinen Manko abgesehen liefert der Verlag hier ein Regelwerk ab, mit dem sich sowohl Neulinge als auch alte Hasen anfreunden können und mit dem sie ihr selbst gestecktes Ziel erreichen ein einsteigerfreundliches, spannendes, unterhaltsames und nicht unnötig kompliziertes Spiel zu veröffentlichen.

Selbst ohne den Nostalgie-Faktor haben Ulisses Spiele es geschafft dem schon etwas in die Jahre gekommenen Geisterjäger neues Leben einzuhauchen und sorgen dabei zudem noch für gute Unterhaltung.

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