Geister der Toten

17.05.2015 von Marcus Pohlmann

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ISBN: 978-3958391451

Format: Hardcover

Seiten: 212

Preis: 29,80

Erscheinungsdatum: 01.05.2015

Sprache: Deutsch

Den älteren Semestern unter unseren Lesern dürfte der Name Richard Corben sicherlich durch seine zahlreichen Beiträge im Comic-Magazin Heavy Metal oder durch seine epische Fantasy-Serie Den bekannt sein. In den letzten Jahren hat er dagegen hauptsächlich durch Kooperationen mit beispielsweise Garth Ennis oder Rob Zombie von sich Reden gemacht. Nun legt der Autor und Zeichner allerdings mit Geister der Toten wieder ein eigenes Projekt vor, das auf dem deutschsprachigen Markt von Splitter veröffentlicht wird. Der 212 Seiten starke Hardcoverband widmet sich dabei verschiedenen Kurzgeschichten und Gedichten des 1849 verstorbenen Horrorautors Edgar Allan Poe, und setzt diese in Comicform um.

Insgesamt finden sich hier 15 zeichnerische Adaptionen, manche davon bekannte Stories wie „Der Untergang des Hauses Usher“, „Die Maske des roten Todes“, „Der Doppelmord in der Rue Morgue“ oder auch „Das Fass Amontillado“. Ebenso hat sich Richard Corben einigen weitgehend unbekannten Werken beispielsweise mehreren obskuren kurzen Gedichten angenommen. Eine detaillierte Wiedergabe des kompletten Inhaltes des Bandes würde sicherlich den Rahmen dieser Rezension sprengen, daher beschränke ich mich auf einige wenige Stories.
Den Anfang macht das Gedicht „Allein“, geschrieben im Jahr 1827 und somit ein Frühwerk Poes. Die Hauptfigur, der junge Solomon, wird hierin von seltsamen Träumen geplagt, in denen er seine toten Eltern und sich selbst als monströse Kreatur sieht. In einem überwucherten Garten vertraut er sich seiner Freundin Liea an, die ihn zu beruhigen versucht. Dabei verschwimmt seine Wahrnehmung immer wieder, bis auch der Leser nicht mehr weiß, was nun Traum und was Realität ist. Die Titelfigur bei „Berenice“ zeichnet sich durch ein besonders strahlendes Lächeln und makellose Zähne aus, was bei ihrem Cousin und künftigen Gatten Egaeus eine ungesunde Obsession auslöst, die auch nach dem Tod von Bernice nicht nachlässt. Schließlich setzt er alles daran, um das Objekt seiner Begierde an sich zu bringen. „Der Untergang des Hauses Usher“ gehört, auch Dank der zahlreichen Verfilmungen, zu den bekannteren Geschichten Poes und erzählt von der inzestuösen Beziehung des Malers Roderick zu seiner Schwester Madeline. Und auch hier sind es wieder Begierde und Verlangen, die eine unheilvolle Spirale von Ereignissen in Gang bringen, die einzig der Erzähler Allan überlebt. Ebenfalls recht bekannt ist „Die Maske des roten Todes“ in der König Prospero mit seinen Adligen und Hofschranzen in einem Palast wilde Feste feiert, während das einfache Volk einer Seuche zum Opfer fällt. Bei einer besonders ausschweifenden Orgie mischt sich schließlich der Tod höchstselbst unter die Feiernden und trägt die Seuche damit auch in den Palast. Auch das sicherlich bekannteste Gedicht Poes, „Der Rabe“ darf nicht fehlen, in dem der Protagonist den Verlust seiner geliebten Leonore beklagt und dabei von einem Raben in seiner Trauer gestört wird.

Ein kurzer Blick in die gesammelten Werke von Edgar Allan Poe zeigt mir, dass sich Corben bei der Interpretation vieler Stories sehr großzügige künstlerische Freiräume genommen hat. Während beispielsweise „Das Fass Amontillado“ oder „Die Maske des roten Todes“ weitgehend originalgetreu umgesetzt wurden, so haben „Eroberer Wurm“ oder auch“Morella“ nur noch wenige Eckpunkte mit dem Ursprungstext gemein oder verzichten manchmal sogar komplett darauf, wie beispielsweise bei „Allein“ oder „Die Stadt im Meer“. Zudem kann der aufmerksame Leser gelegentliche Anspielungen auf das Werk eines anderen großen amerikanischen Horror-Schriftstellers, nämlich H.P. Lovecraft, entdecken. Viel mehr konzentriert sich der Zeichner darauf dem Leser einige atmosphärische, kleine Gruselgeschichten vorzusetzen, die eine leicht morbide Stimmung verbreiten. Der Band bietet eine gelungene Mischung aus Fantasy-, Horror- und auch einigen Splatter-Elementen, merkwürdigen Charakteren und finsteren Hintergründen und liefert so eine würdige Interpretation von Poes Werk. Mein einziger Kritikpunkt ist das Fehlen einiger meiner persönlichen Lieblingsgeschichten, wie beispielsweise „Hopp-Frosch“ oder „Die Grube und das Pendel“ Von diesem winzigen Makel abgesehen kann der Freund stimmiger Comic-Unterhaltung mit diesem Band nicht viel falsch machen.
Der Zeichenstil von Richard Corben hat sich in den letzten 30 Jahren nicht wesentlich verändert und ist immer noch auf den ersten Blick eindeutig zu erkennen. Weiche, runde, vor allem bei den weiblichen Charakteren, üppige Formen und kräftige, kontrastreiche Farben finden sich praktisch in jedem Panel. Dabei legt der Zeichner weniger Wert auf realistische Proportionen und Perspektiven, viel häufiger wirken Charaktere und Hintergründe dagegen leicht verzerrt. Allerdings kommt das grade im vorliegenden Fall der Atmosphäre der Stories sehr zugute und verleiht dem Ganzen einen surrealen, träumerischen Unterton.

Der Leser bekommt hier eine zwar nicht unbedingt werkgetreue, aber optisch und erzählerisch durchaus reizvolle Interpretation einiger klassischer Schauergeschichte präsentiert.

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